Oberhausen mit Dudelsack

Oberhausen, kommt er oder kommt er nicht und eine Handvoll Engländer

Das Spiel fing dieses Mal für mich schon dienstags an. Über das Fanforum hatte ich die Adresse eines Dudelsackspielers bekommen, den wir für das Heimspiel am Freitag verpflichten wollten. Dank an dieser Stelle noch mal an Pathos93. Die Unterhaltung mit George, dem Dudelsackspieler hatte etwas vom dem Treffen mit Tom Waits seinerzeit im Sparr als er meine italienische Lebensgefährtin bezirzte. Aber das ist eine andere Geschichte. Nun gut, George willigte ein zu kommen und zu spielen. Blieb die Frage: Kommt er oder kommt er nicht? Aus dem Telefonat heraus hatte ich eher ein unsicheres Gefühl. Dennoch, ich rief Herrn Brux an, um herauszufinden, ob es bezüglich Instrumente irgendwelche Sicherheitsrichtlinien gibt. Herr Brux fragte in Anbetracht eines Dudelsacks, ob wir den nur so mit reinnehmen oder ob auch gespielt werden soll? Nichts für ungut Herr Brux, aber wir füllen den Dudelsack mit Whiskey und pfeifen uns einen. Er machte dennoch das nette Angebot, uns eventuell vor dem Anpfiff das Funkmikro des Stadionsprechers zur Verfügung zu stellen.

George mit Dudelsack

George mit Dudelsack

Donnerstags war ein weiteres Treffen mit Bob, Bier, Farbe, Pinseln und auszumalenden Doppelhaltern in meinem Ottenser Loft geplant. Mittags hatte ich noch Training und konnte nicht ahnen, das es gar so anstrengend würde. Mein Co-Trainer scheuchte mich dermaßen, das ich nach der Dusche am Krückstock ging. ?Du gehst jetzt in die Hocke, dann schiess ich rechts, dann links, dann wieder rechts und das machen wir jetzt zehnmal mit jeweils zehn Schüssen.? Das muss man sich mal vorstellen. Ich also nach der Dusche nach Hause, meine Klamotten in die Waschmaschine und auf zum Millerntor, mit Bob das Training begutachten. Das war eine feine Sache: wir saßen in der sonnigen Gegengerade, schlürften ein Bierchen und sahen den Jungs beim Training zu. Der Rest des Tages ließ sich also locker an. Doch was musste ich da sehen: Der Netzmeister im astreinen Fortuna Düsseldorf Trikot. Ein großes Hallo meinerseits: ?Hey Netzmeister, du hast das falsche Shirt an!? Der junge Mann nicht auf den Mund gefallen ?Nene, heute geht es gegen RWE und da muss man solidarisch sein.?. So ergab sich ein lustiges Pläuschchen, das aber rigide vom kleinen Portugiesen mit den neun Fingern beendet wurde, das der Innenraum mit Ende des Trainings abgeschlossen werden sollte. Dabei war der Netzmeister so stolz, das er endlich mal auf den Zaun konnte. Die Unterhaltung wurde aber vor dem Clubheim fortgesetzt und Bob und ich lernten Engelchen, den Cliff und Käfer kennen. Eine Verabredung für den späteren Abend war schnell getan. Was mich aber stutzig machte, war die Tatsache, das Cliff dachte, ich wäre jünger. Lag das etwa an den Inhalten meiner Forumbeiträge? Erneut bitte ich an dieser Stelle um Aufklärung.

Jede Menge Doppelhalter

Jede Menge Doppelhalter

Bob und ich entschlossen uns, noch ein ?Vor dem Doppelhalter Malen Bier? bei Brigitte zu genießen und damit fing eigentlich alles an. Flugs zwei Weißbier geordert und ran an den Tisch. Endlich wieder Sitzen. Man steht ja sonst den ganzen Tag. Am Nebentisch saßen vier Gentlemen, die unverkennbar aus England stammten und sich interessiert im Clubheim umschauten. Bob und ich lauschten der Unterhaltung und still lachte ich in mich hinein als einer der Herren kompetent die Vereinswappen in den Fenstern interpretierte und ein ums andere Mal daneben lag. Seine Kollegen aber schenkten ihm Glauben, allein das bessere Wissen fehlte ihnen. Bob und ich grinsten uns an und er sagte ?Wenn wir uns jetzt auf ein Gespräch mit den Jungs einlassen, kommen wir hier nüchtern nicht mehr raus.? Und so kam es dann auch. Einer der Englishmen stellte uns eine Frage, wir antworteten höflich im besten Oxfordenglisch und Sekunden später saß der ganze Trupp an unserem Tisch. Es wurde gelacht, geredet, Adressen und Emailaccounts, Websiteadressen ausgetauscht und – das Schlimmste – immer mehr Bier bestellt. Die Herren aus London entpuppten sich als aktiver Teil des Fanclubs ?Capital Gulls?, die den Torquay Untied FC in der vierten englischen Liga supporten. Alan, Howard, Andy und Andy waren zum Millerntor im Rahmen einer Groundhoppingtour gekommen, hatten aber das ominöse Wissen, das der FC St. Pauli nur Hooligans als Fans hat. Dieses Vorurteil konnten wir aber schnellstens ausräumen und so ging eine fröhliche Runde los, die auch das Clubheimpersonal schnell verzweifeln ließ. ?Eine Runde noch, dann ist aber Schluss.? Schluss war aber noch lange nicht und nachdem Andy und Andy Louise und einen weiteren Andy aus dem Hotel geholt hatten, ging die Runde weiter ins Jolly Roger. Wir hatten eigentlich Einspruch erhoben, da wir noch die Doppelhalter fertig zu stellen hatten und Silversurfer, der mal wieder Taillendienst hatte uns schon mit Kontrollanrufen drangsalierte. Aber alle Einwände wurden mit Bier vom Tisch gewischt und die illustre Truppe aus London versprach, am nächsten Tag mit uns zusammen die Doppelhalter fertig zu stellen. So zogen wir weiter und stolperten mit großem Hallo ins Jolly. Das Bier wurde immer mehr, die Runde immer fröhlicher. Allein Alan, Busfahrer aus Southend schlief zwischen den Getränken. So verpasste er eine muntere Konversation über Fußball, Fußball und Fußball sowie die Gelegenheit, Orsen, Sandra und andere illustre Persönlichkeiten der St. Pauli Fanszene kennen zu lernen. In Sorge um Alan verfrachteten sich die Engländer aber auch alsbald ins Hotel und allein Bob hielt es noch länger aus. Den Rekord hat aber seine Sonnenbrille aufgestellt, die länger als wir alle im Jolly blieb, später aber bei Sandra ein Nachtquartier fand.
Der nächste Tag war einer der schlimmsten, da ich zwei frühe und sehr wichtige Termine hatte. Aber auch dies überstand ich noch in dem Wissen, das heute endlich Heimspiel war. So fand ich mich mittags um zwölf mit Kopfschmerzen, Farben, Pinseln und zwei Doppelhaltern bei Bob ein und traf auf fröhliche Engländer, die ein Bier in der Hand bei Bob hockten und Konversation betrieben. Zu Alan, Howard, Andy, Andy, Andy und Louise hatte sich noch Skipper gesellt und komplettierte die Reisegesellschaft aus London. Das Bier wurde ebenso schnell geleert wie die Farbe und so waren sowohl Bob und ich als auch die Doppelhalter alsbald fertig. Gegen vier zogen wir alle los Richtung Millerntor, da noch Karten und Fanstuff für die Reisegruppe aus London besorgt werden wollten. Andy und Alan verschwanden im English Style im Container und kamen im St. Pauli Dress wieder raus. Ein großes Hallo und rein ins Clubheim. Ich will mich nicht wiederholen aber auch hier wurde wieder Bier getrunken und Bob und ich hielten es für unsere hanseatische Pflicht, Paroli zu bieten und mitzutrinken. Zwischendurch hatte ich nochmals mit George telefoniert und die Zusage erhalten, das er definitiv kommt. Was sind mir da für Steine vom Herzen gefallen. Nach geraumer Zeit und Getränkekonsum ging es dann ins Miller, um den Rest der Aktion Süd zu treffen und George in Empfang zu nehmen. Was war das für ein Jubel als er im Miller den Dudelsack erbeben ließ. Ein solches Hallo hatte ich schon lange nicht mehr erlebt.

Gruppenbild mit Damen

Gruppenbild mit Damen

Dementsprechend angeheizt machten wir uns auf den Weg in die Südkurve. Wieder wurden Banner aufgehängt, Doppelhalter sortiert und wir montierten noch die Fahne des Capital Gulls an den Zaun. Und dann war es endlich soweit: Es sollte die Ruhe vor dem Sturm herrschen, die Ruhe, um endlich wieder einen Fanroar am Millerntor loszulassen. Der Dudelsack musste leider ohne Funkmikro beben aber das Tat dem Jubel und Gesang in der Südkurve keinen Abbruch. Einzig und allein die Tatsache, das von offizieller Seite gerade mal Minuten Stücker drei ohne Konservenbeschallung gelassen wurden, war und ist eine Frechheit. Ein Roar braucht seinen Anlauf und drei Minuten sind ein Witz.

Egal, wir hielten unser Zeug hoch was das Zeug hält und schwenkten unsere Fahnen. Superfly, Silversurfer, St. Pauli Boy und Achim hielten die Tapete über den Zaun und ?Carpite Noctem? sollte unseren Spielern den Weg weisen. Die Schwenkfahnen in der Gegengerade und das Banner in der Nord taten ein Übriges dazu, um das schöne Bild des Abends abzurunden.

Über das Spiel an sich ist nicht viel zu sagen. Bulat steigert sich, die gesamte Abwehr ebenso und ein Null zu Null ist ein Schritt nach vorn. Ein kleiner zwar aber immerhin. Doch wenn Stani nicht einmal so todesmutig seine Birne hingehalten hätte, wären wir wieder einem Tor hinterher gelaufen und das hätte dann bös enden können.

Unsere englischen Gäste unterstützen unsere Gesänge allerfeinstens und Superfly und ich gaben den Instructor, heizten der Menge ein. Festzustellen bleibt, das es in der Südkurve wohl noch eine Weile dauern wird bis der Funke komplett überspringt. Aber ein Dudelsack und gute Gesänge werden das auf Dauer schon richten. In der Halbzeit dann das große Unglück: Bei unserem Fahnenlauf bin ich mit einer Fahne im Zaun hängen geblieben und konnte daraufhin durch die Fahne durchlaufen. Was für eine Mistekiste. Der Dutch war wieder der Dumme. Aber Boys In Black (for him) und Marion trösteten mich und die Fahne wird ordentlich genäht. Allein ich kam mir vor wie ein Idiot. Und das vor unseren englischen Gästen. (Immerhin haben wir die Zusage, das wir die Überstände am Zaun entfernen dürfen. Das wird ein schönes Geflexe.)

Zu Beginn der zweiten Halbzeit preschten wir wieder mit den Doppelhaltern und der übrig gebliebenen Fahne vor und was soll ich sagen: Markus Lotter hat uns zugewunken. Es will mir bloß keiner glauben weil es angeblich und mal wieder keiner gesehen hat. Aber ich habe es gesehen: Er hat uns zugewunken. Ich weiß auch warum. Aber das wird an dieser Stelle nicht verraten.

Nach Spielende waren wir sehr erschöpft und zogen uns ins Miller zurück. Auch hier kam nochmals der Dudelsack zum Einsatz und wieder bebte das Miller. Es wurde fröhlich diskutiert, gelacht und getrunken bis meine Ohren wackelten. Das Abschlussbier gab es dann im Jolly. Allein unsere englischen Freunde verloren wir aus den Augen. Aber die Daten sind gespeichert und Gott sei Dank gibt es die digitale Weite des Internets, in der niemand verloren geht.

An dieser Stelle noch mal Dank und Respekt an George für den Dudelsack und den Kilt. Und lasst Euch gesagt sein: George kommt wieder! Und eine Entschuldigung an die passanten wegen dem Loch in der Fahne. Aber das wird genäht.