Auswärts zuhause

Mannheim auswärts von Zuhause

Tja, was bleibt einer gepeinigten Seele, wenn die Auswärtsfahrt nicht umsetzbar ist und Premiere das falsche Spiel überträgt? Warten bis Hattrick auf DSF beginnt? Radio hören? Habe ich gerade Radio gesagt? Na klar. Das wäre es doch noch mal. Das letzte Mal habe ich mir ein Fußballspiel im Polo meines C-Jugendtrainers auf der Rückfahrt von Capelle nach Senden angehört. So etwa anno 77. Das muss man sich mal vorstellen.

Ich zog mein frisch erstandenes St. Pauli Retrotrikot Saison 74/75 an und dann auf zu Bob, den Supermarkt um ein paar Büchsen Bier erleichtern und online ins Radio einchecken. Der Silversurfer hatte Taillendienst, Achim war bowlen, das Präsidentenpaar der Arschrocker auf dem Weg in ein Wellnesswochenende und die Boys In Black in Mannheim. Aber Superfly schwirrte ein und so konnte das Zittern vor dem Rechner losgehen. Aber was war das? Da war nur die Stimme des Kommentators. Keine Atmo, nichts. Das war uns dann etwas zu nüchtern und stand im krassen Gegensatz zu uns. So spielte Bob Atmo aus dem Millerntor ein und mit dem ersten Treffer von Patschinski rissen wir Song 2 auf, dass die Minze bebte. Beim 2:0 gab es kein Halten mehr, Bob wickelte sich in die aprilfrisch gewaschene Schwenkfahne und hüpfte durchs Kämmerlein. Eifrig schickten wir Ergebnis-SMS durch die digitale Welt, um unserer Freude und Liebe Ausdruck zu verleihen und den Rest der Welt teilhaben zu lassen an diesem wunderbaren Ereignis

Doch wie es in einer leidenschaftlichen Beziehung manchmal so ist: Gerade liebkost sie mich noch und im nächsten Moment gibt es aus unerfindlichen Gründen einen Hieb in die Magengrube. Das 1:2 für Mannheim. Wir fingen an zu bangen, ob der Vorsprung in die Pause gerettet werden kann. Wenigstens das wurde geschafft und das muntere Diskutieren und Prognostizieren begann, Erinnerungen wurden hervorgekramt, um wüste Vergleiche ziehen zu können. Allein das Klappern der leeren Bierbüchsen auf dem Weg in den Mülleimer übertönte ab und an unseren Diskurs.

Die zweite Halbzeit fing an und unsere Beziehung drohte mit ?Vielleicht ist es besser wenn wir uns eine Weile nicht sehen!?: Markus Lotter verursachte einen Strafstoss, der auch prompt versenkt wurde. Ausgleich. Schnell wurde festgestellt, das Superfly und nicht Herr Lotter die Schuld daran trug, da er vor lauter SMSen vergessen hatte, die legendäre und Glück bringende Halbzeitzigarrette zu basteln. Flugs wurde das nachgeholt, unsere launische Beziehung damit beruhigt und Patschinski schoss uns mit weiteren drei Toren in den knallroten Wochenendhimmel.

In höchst freudiger Erregung fuhren wir die Rechner runter und machten uns auf zum Kiez. Superfly sollte dort im Rahmen der ?St. Pauli Live Nacht? Feuer jonglieren und das wollten wir natürlich nicht verpassen. Vor dem Dock?s war auch schon einiges angerichtet und mit leichter Verzögerung ging es dann auch los. Brennende Stangen, Seile, Ketten und Kegel wurden munter und akrobatisch geschwenkt, geworfen, gedreht, gefangen und Superfly mittenmang. Das komische Blasrohr aus Australien tat ein Übriges an musikalischer Atmosphäre dazu. So ließ es sich in der leichten Kälte gut aushalten und das Event war schön anzuschauen. Respekt, Superfly!

Bald trudelten auch Nachrichten aus Mannheim ein: Die Boys In Black berichteten via SMS von einem tollen Spiel, tollem Support und entspannter Atmosphäre. Gespannt erwarten wir das finale Protokoll und Stoff für unser digitales Fotoalbum.

Bob und ich machten uns dann auf zu einer privaten Runde in die Königstrasse. Auch dort wurde dem FC gehuldigt und das Ereignis munter beredet. Bald aber schlich sich bei mir die Müdigkeit ein und so ging ich nach Haus. Allein der Bob wanderte zurück auf den Kiez und knutschte mit wildfremden Mädchen rum. Aber das hat der Kiez wohl so an sich.