My Name is…

Mannheim oder mein Name ist Schulz, Dutch Schulz

Dienstagmorgen, sechs Uhr in der Früh, die Frisur sitzt und auch alles andere überzeugt. Ich werfe meinen Mantel über den Arm, greife nach meiner Notebooktasche und verlasse Ottensen per Taxi Richtung Flughafen Fuhlsbüttel. Mission Stuttgart. Am Flughafen Check In an diesen kleinen praktischen Automaten und ab zur Sicherheitskontrolle: Mantel, Notebooktasche, Handy aufs Laufband und es geht durch den Kontrollbogen: Es piept. Hm, sollte etwa..? Nie im Leben. Der freundliche junge Zollbeamte tastet mich ab, streift mit seinem Suchgerät über meinen Körper. An den Schuhen piept es wieder. “Stellen Sie bitte mal ihren Fuß auf den Kasten da.” Gesagt, getan, er tastet, es piept nicht mehr. “Und jetzt bitte den anderen.” Wieder nichts. “Danke, das war”s.” Erleichtert schnappe ich meine Sachen und schritt rasch Richtung B30. Hätte mich aber auch gewundert wenn er tatsächlich etwas bemerkt hätte. Waren meine Kleidung und mein Notebook doch so präpariert, das selbst Q und Mr. Bond blass vor Neid wären, wüßten sie um mein ballistisches und sonstiges Equipment.

So, noch schnell einen Kaffee und eine Lucky Strike ohne Filter und ab zum Onboarding um 06:35 Uhr. Beim Einsteigen in den Flieger wie immer das gleiche Bild. Vor uns ein älterer Geschäftsmann: Er sitzt direkt in Reihe Eins, zieht in aller Ruhe Mantel und Jackett aus, faltet beides ordentlich und legt sie in die Ablage über dem Sitz. Dann folgt der Aktenkoffer. Er sitzt gerade, springt aber hektisch wieder auf: “Unterlagen. Ich brauche noch meine Unterlagen.” Den Koffer aus der Ablage ziehend sucht er schon nach seinen Unterlagen. Er sucht und sucht und sucht. Das dauert. Füßescharren und Gemurmel hinter mir. Endlich hat er gefunden wonach er gesucht hat und setzt sich. Und so schleppen wir uns mühsam durch den Gang, da jeder an seinem Sitz angekommen erstmal auszieht, verstaut, sucht, wühlt, zurechtrückt bis der Sitz eingenommen wurde. An meinem Sitz angekommen ist Verstauen unter der Vordersitz und Setzen eine Formsache, die in einem Sekundenbruchteil erledigt ist. Entspannt sitzend beobachte ich weiter amüsiert wie die Leute sich durch den Gang zwängen, immer wieder aufgehalten durch das Ausziehen, Verstauen, Suchen, Wühlen, Zurechtrücken. Neben mir nimmt eine attraktive Blondine Platz. Mit einem interessierten Seitenblick sagt sie guten Morgen und macht es sich bequem. Auch sie betrachtet amüsiert das Geschehen auf dem Gang. Sie lacht, schaut mich an und sagt “Immer das Gleiche im Flieger.” Ich erwidere das Lachen und wir kommen ins Gespräch. Schlussendlich stelle ich mich vor: “Mein Name ist Schulz, Dutch Schulz.” Leicht irritiert fragt sie, ob ich Holländer sei? Mein Hals schnürt sich für eine Sekunde zu. Doch freundlich kläre ich sie über meine Nationalität und meinen Namen auf.

Nach der Vorstellung der Sicherheitseinrichtungen und der Begrüßung durch Captain und Crew geht es endlich los. Wir heben ab und fliegen um 06:55 Uhr gen Stuttgart. Die Flugbegleiter reichen Getränke und ich bestelle einen Cardinal Mendoza. “Aber bitte in einem warmen Glas.” Der junge Flugbegleiter schaut mich verblüfft an, hält für einen Moment inne und sagt: “Es tut mir leid aber soetwas haben wir nicht an Bord.” “Na macht nichts, dann geben Sie mir bitte einen Whisky auf Eis.” Um mich herum pikierte Blicke nach dem Motto “Wie kann man um diese Uhrzeit nur Alkohol trinken?” Ich sagte zu der Blonden neben mir, das es wohl etwas erstaunlich anklingen mag, jetzt Whisky zu trinken aber das würde die innere Anspannung lösen, die ich beim Fliegen immer verspüre. Sie schmunzelte. “Das kenne ich.” Und bestellt einen Gin Tonic. Wieder erstaunte Blicke. Doch die Blicke wechselten über in ein “Warum nicht?” und bald bestellte einer nach dem anderen etwas Alkoholisches. Die Business Class glich flugs einer kleinen Cocktailbar, in der sich Geschäftsleute nach Büroschluss versammeln, um den Abend ausklingen zu lassen. Ein Drink folgt dem anderen. Doch schnell komt der junge Flugbegleiter und verkündet, das die Spirituosen aus seinen und er nur noch Kaffee, Tee und alkoholfreie Erfrischungen anbieten könne. Mein Einsatz, mein Stichwort…

In Sekundenschnelle greife ich nach meinen Notebook, zerlege und baue es wieder zusammen: In meine Hand schmiegt sich eine Walther PPK. Ich stehe auf, gehe zum Chef der Flugbegleiter und fordere mehr Alkohol. “Und das Rauchverbot heben wir auch gleich mal auf.” Sprachs und steckte mir eine Cohiba ins Gesicht. “Feuer bitte!” Begeisterungsstürme johlen aus der Business Class. Die Passagiere der Economy Class, langsam ob der Party-stimmung neugierig geworden strömen nach vorn und wollen auch. Alle wollen Alkohol. Trinken. Party. Weg mit den anstrengenden Geschäftsterminen, mit den langweiligen Kundengesichtern.

Der Chef der Crew öffnet eine Klappe und es strahlt mich eine Batterie feinster Spirituosen an. Darunter auch mein heißgeliebter Cardinal Mendoza. “Die kommt gleich zu mir.” Ein Griff und die Flasche ist in meiner Hand. Ich reisse mir das Hemd vom Leib. Ein blitzendes Sankt Pauli Shirt blendet die erhitzten Gesichter der Passagiere, die die Flaschen unter sich aufteilen, wildeste Mischungen anfertigen und trinken. “So, du Fluggnumpen” sage ich zum Chef, “jetzt gib mir mal dein Bordmegaphon.” Ich drückte auf den Knopf, es knisterte in der Flüstertüte und ich fragte die tobende Menge, wer denn letzten Freitag nicht im Millerntorstadion gewesen ist, um dem Heimsieg gegen Mannheim beizuwohnen. Ein kurzer Moment der Stille erfolgte und ein paar Leute hoben schüchtern die Hand. Ich zählte ab und kam auf sechs. “Wieviel Fallschirme hast Du an Bord?” Der Chef wurde blaß und stöhnte “Sieben”. “Okay, verteil die an die Leute, die nicht am Millerntor waren, nimm dir auch einen und dann ab dafür.” Gesagt, getan, ich riss eine Tür auf, stemmte mich gegen den gewaltigen Luftzug und meine Walther sorgte dafür, das einer nach dem anderen absprang. Vergnügt sah ich wie sich weit unten die ersten Schirme öffneten. Na, geht doch dachte ich im Stillen und drückte die Tür wieder zu, nahm die Flüstertüte und wandte mich dem Rest zu. Erstaunt musste ich feststellen, das die Stimmung verflogen war. Genau wie die Schirme. In der Tür stand der Copilot und brabbelte was von Flugzeug-entführung, Polizei undsoweiter. Ich drückte ihm meine Walther in den Schritt und zwängte ihn zurück ins Cockpit. Aus meiner Hosentasche fingerte ich eine CD mit Sankt Pauli Liedern. “Schmeiss die mal in Eure Jukebox und dreh die Möhre auf so laut es geht.” Dem Captain, der sprachlos und mit offenem Mund auf meine Walther starrte sagte ich, er solle mal Schub geben. Schliesslich habe ich einen wichtigen Termin in Stuttgart. “Das ist hier keine Ent-führung. Das ist eine Beschleunigungsmaßnahme und Erhebung von Sankt Pauli Symphatie unter Reisenden der Lufthansa mit Fokus auf die Business Class. Und mein Name ist Schulz, Dutch Schulz vom Erhebungsbüro der Aktion Süd mit der Lizenz, gewonnenen Erkenntnissen drastische Maßnahmen folgen zu lassen.” Ich knebelte beide und verliess sie mit der Verwarnung “Eine Funke nur nach Stuttgart zur Flugsicherheit und ihr bekommt eine Dauer-karte für den HSV!”

Ich kehrte zurück in den Passagierbereich. “Das Herz von Sankt Pauli” schepperte aus den Boxen und ich heizte der schlaffen Menge ein: “Was war Freitag?” “Heimspiel” erwiderten einige wenige zögerlich. “Und wer hat gewonnen?” “Sankt Pauli”. Es wurden mehr. “Und wer hat verloren?” “Mannheim.” Es wurden noch mehr. “Wer hat das erste Tor gemacht?” “Stefan Blank.” Jetzt waren es alle. “Und wer das zweite?” “Oliver Held!” Ich liess ein lang gezogenes Aux Armes folgen und war begeistert vom Chor. Das hatte die Lufthansa noch nicht gesehen. Ein weiteres Aux Armes folgte und wieder eine gewaltige Antwort vom Businesspöbel. “Nous sommes St. Pauli!” Wieder ein knall-hartes Echo. “Et nous allons gagner!” Der Pöbel tobte. “Allez Braunweiss!” Jetzt tanzten sie, klatschten in die Hände und hüpften. Ein Sankt Pauli Lied folgte dem anderen und der Flug wurde extrem kurzweilig.

Mit der Flasche Cardinal Mendoza im Arm setzte ich mich nach vorn und überliess es dem Businesspöbel, sich allein weiter auf Stimmung und Temperatur zu halten. Im Cockpit machte ich es mir gemütlich und genoss den Ausblick auf einen Horizont mit strahlender Sonne und Wolken aus Zuckerwattte. Eine Träne lief mir über die Wange. “Wir schaffen es noch mit dem Klassenerhalt.” So schweifte ich in Gedanken durch Tabelle, Punkte- und Torekonto und in mir wuchs die Zuversicht. Ein Blick aber auf die Uhr verriet aber, das bald Zeit zur Landung war. Ich holte meine Sachen aus der Business Class, checkte die Stimmung, die immer noch auf dem Siedepunkt war, und machte mich auf der Toilette der Flugbegleiter frisch, setzte mich wieder ins Cockpit und löste die Knebel bei den Piloten. “Okay ihr Spacken, jetzt geht es ans Landen. Und nochmal: Ein Wort über eure Funke zur Flugsicherheit und ich leg noch ein Abendessen mit Beiersdorfer und Jara obendrauf. Und “Uns Uwe” kratzt euch dabei den ganzen Abend den Sack.” Dermassen eingeschüchtert machten beide das Verlangte und wir setzten sicher zur Landung an, gingen in Parking Position. Beim Verlassen des Fliegers drückten mir Aufsichtsräte, Vorstände und Geschäftsführer die Hand, Tränen in den Augen. “Sowas haben wir schon lange nicht mehr erlebt. Danke. Ein aufrichtiges Danke!” “Gern” erwiderte ich und fügte hinzu “Und jetzt macht sie fertig. Wer immer sich in Euren Weg stellt, macht ihn platt! Forza Sankt Pauli!”

Beim Verlassen des Ausgangsbereiches sah ich aus dem Augenwinkel, wie ein Mann auf einen Zaun am Flughafen-rand kletterte und eine, aus Decken und anderen Materialien zusammengetackerte braunweisse Fahne schwenkte. Der Oberkörper in einem astreinen Sankt Pauli Shirt, auf dem Kopf die Mütze eines Kapitäns der deutschen Lufthansa.

08:15 Uhr, Flughafen Stuttgart, die Frisur sitzt und auch alles andere überzeugt. Ich werfe meinen Mantel über den Arm, greife nach meiner Notebooktasche und verlasse den Flughafen per Taxi gen Kundentermin. Mission Stuttgart. Mein Name ist Schulz, Dutch Schulz.

Und jetzt kommt ihr…