Lübecker Sex

Lübeck oder was hat Fußball mit Sex zu tun?

Werden Fußballspieler – sowohl Profis als auch Amateure oder Freizeitkicker – nach dem Gefühl eines entscheidenden Tores oder eines Finalsieges befragt, so geben viele dabei Auskunft über ihr Sexualleben: “Das war geiler als Sex!” oder “Das war wie ein Orgasmus!”, gewähren Einblick in die fußballerischen Doppelbetten. Wie kann solch ein Moment mit dem des Geschlechtsaktes verglichen werden? Wie kann solch ein Moment, der unter mehr als zwanzigtausend Augenpaaren stattfindet, womöglich noch live in sämtliche deutsche Bundesländer übertragen wird, mit dem Erlebnis verliebter Intimität und Leidenschaft verglichen werden? Kann ein Fußballer etwa nur geschlechtliche Erregung verspüren wenn er im heimischen Schlafzimmer die Stadionkulisse via Dolby Surround einspielt, Kameras aufstellt und sich jubelnd das Trikot vom Leib reisst? Trägt er unter dem Trikot ein T-Shirt mit der Message “Schatz, ich hab es Dir besorgt!”?

Konfetti-Intro

Konfetti-Intro

Nimmt man das Kernstück des Fußballspiels und eine Passage aus “High Fidelity” von Nick Hornby als Grundlage, so kann Fußball durchaus mit Sex verglichen werden: “Die Mädchen hatten sich derweil mit der passiven Rolle zu begnügen. Penny benutzte die Formulierung “mit sich machen lassen”, pflegte sie beharrlich und vielleicht ein wenig traurig zu sagen (sie schien zu begreifen, dass sie eines Tages wenn auch nicht jetzt, würde nachgeben müssen, und dass sie es, wenn es soweit war, nicht mögen würde), wenn sie zum hunderttausendsten Mal meine Hand von ihrer Brust wegschob. Angriff und Verteidigung, Vorstoß und Rückschlag… es war, als seien Brüste kleine Privatgrundstücke, die das andere Geschlecht widerrechtlich besetzt hielt – wir waren die rechtmäßigen Eigentümer und wollten sie zurück erobern.” Das Kernstück des Fußballspiels besteht aus Angriff und Verteidigung, jede Mannschaft hat etwas, das sie gegen den anstürmenden Gegner verteidigen muss, will und möchte andererseits in leidenschaftlichem Anlauf das Besitztum des Gegners erobern, für sich in Besitz nehmen. So ringen jedes Wochenende zweiundzwanzig Männer wie pubertierende Teenager um die Brüste des Gegners, schnaufen, stürmen, wehren sich und wer zuletzt den BH des Gegners am meisten öffnen konnte, um die Brüste zu berühren hat gewonnen. Der Torwart als BH-Verschluss. Das muss man sich mal vorstellen. Der Tag des Spieles unterteilt in die Phasen des Vorspiels, des Hauptaktes als solchem und des Nachspiels. (Ist die Nachspielzeit dann etwa eine weibliche Erfindung?)

Und so ist eine jede Mannschaft, auf die wir in Hin- und Rückrunde treffen vergleichbar mit Penny, der Dame, der der junge pubertierende Held in “High Fidelity” versucht, den Pullover hochzuschieben, um endlich ihre begehrenswerten Brüste zu berühren. Um eventuell sogar noch mehr, also nahezu Unvorstellbares abzuringen. Oder?

Vorspiel: Herrjeh, was hatte ich schlecht geschlafen. Nach der Entscheidung, wer von den deutschen Superstars die Segel streichen kann schlief ich vor laufendem Fernseher ein und wachte (im Zweifelsfall rechtzeitig) zur Wiederholung von “ran” wieder auf. Ich lag mich durch “ran”, die Wiederholung von diversen anderen Sendungen, gab mir zuletzt noch die Wiederholung der “Deutschland sucht den Superstar” Performance vom Vorabend und schlich mich vormittags unter die Dusche. Trotz aller Müdigkeit war ich wie immer aufgeregt. Aufgeregt als sei ich verabredet mit einer jungen Dame, deren hübschen, wohlproportionierten Körper ich begehre. Nicht zuletzt weil sie mir intelektuell und charakterlich mehr als zuspricht. Also wollte Wahl der Kleidung und der Accessoires gut überlegt sein. Denn nur in Kleidung, in der man sich wirklich wohl fühlt strahlt man etwas aus, das Herzen schmilzen lässt und BH-Verschlüsse öffnet. Ich entschied mich für meine übliche Stadionkleidung um sicher zu gehen, gepaart mit ein zwei neuen Details. Der Blick durch die Fenster gewahrte mir die Sicherheit, heute endlich mal wieder eine Sonnenbrille ausführen zu können. Allein die Wahl ist nicht einfach aber ich entschied mich für die kleine Rote, passend zum restlichen Outfit. Styletechnisch gut und wohlfühlend gerüstet machte ich mich auf dem Weg ins Miller, um dort Rispi, Achim, Silversurfer, Saschex und Superfly zu treffen, die ähnlich wie ich auf fröhliche Art angespannt waren. Das Ahlen-Spiel musste herhalten, um sich eine Taktik für heute auszudenken und Prognosen anzustellen wie man am besten die junge Penny, heute aus Lübeck in grün gewandet entkleiden und verführen könne. Superfly, Saschex und ich hielten die Anspannung nicht mehr aus und begaben uns recht frühzeitig auf dem Weg zum Rendesvouz; Saschex allerdings machte einen Umweg übers Clubheim. Vor dem Eingang zum Ort der Verabredung trafen Superfly und ich Aes mit seiner Tochter. Eigentlich ungwöhnlich, seine Tochter zu einer solch verruchten und von der Intention her etwas unanständigen Veranstaltung mitzunehmen. Aber sei es drum, vielleicht kann das Mädchen ja etwas für das Leben lernen. In dem Ort der hoffentlich stattfindenden Verführung konnten wir aber nicht unsere sonst gebuchten Plätze in der Südkurve einnehmen, da die Dame aus Lübeck, die uns bei unserem ersten Rendesvouz so kühl und kräftig abwies zahlreiche Anstandsdamen mitbrachte (was auch noch zur Folge hatte, das wir nicht unsere wie sonst gewohnten drehzahlreichen Getränke verzehren durften). Der Blick auf eben jene Anstandsdamen machte uns aber umso erregter, da zu viel Ehre viel Feind gehört. Und das macht eine Verführung bekanntlich umso schmackhafter. Bald waren wir dann auch vollzählig, packten unsere Aphrodisiaka aus und der Balztanz konnte beginnen.

Hauptakt: Schon zu Beginn setzten wir voll auf Offensive, schwenkten Fahnen, schmissen Konfetti und schmeichelten mit Gesängen aus lauten Kehlen. Von Leidenschaft und Kampfeswillen beseelt machten wir uns mit geschickten Spielzügen, die in stürmischen Angriffen ausuferten auf den Weg zum Zentrum unseres Begehrens: dem Tor der jungen Dame aus Lübeck. Die Anstandsdamen gegenüber machten nicht viel Scherereien genauso wie die Dame an sich und so liess es sich gut an. Mit einigen guten Attacken konnten wir sie verunsichern und so langsam spürten wir, das bei der heutigen Verabredung etwas ging. Hier war was möglich und so hängten wir uns rein, sangen umso lauter. Dann endlich war der ersehnte Moment da: Durch einen geschickten Querpass, einen Torschuss, der abgewehrt wurde öffneten wir den Verschluss. Und so konnte N””Diaye das machen wonach wir uns alle sehnten: er drosch das Ding in die Maschen. Wir jubelten, umarmten uns und wussten: Das war nicht die letzte Eroberung des begehrten Objektes. Das gab Mut und Hoffnung, Lust auf mehr. Weiter wurde gestürmt, gelaufen und ein ums andere Mal waren wir kurz davor, der jungen Dame zum zweiten Mal zu zeigen, wer hier die Richtung vorgibt, den Taktstock schwingt. Allein Chris, Debüttant aus Brasilien erwies der Lübeckerin die Ehre, ihren Verschluss ein zweites Mal zu öffnen und das Runde ins Eckige zu bugsieren. Hatte sie uns bei der ersten Verabredung noch gedemütigt, so wurde sie heute eines Besseren belehrt: Einen FC Sankt Pauli weist man nicht ab. Unsere Freude kannte keine Grenzen und so war die Halbzeit eine willkommene Verschnaufspause für uns alle. Mein Rücken tat weh als wäre mir einer ins Kreuz gesprungen.

Die zweite Hälfte des Hauptaktes wurde etwas hektischer als geplant. Die junge Dame aus Lübeck biss, kratzte und setzte sich heftig zur Wehr. Ein ums andere Mal bekammen wir ihre wütenden Schläge zu spüren. Das hatte aber zur Folge, das die Dame des öfteren durch kleine gelbe Pappkarten ermahnt werden musste (denn auch hier gibt es Regeln) und alsbald einen ihrer Fühler verlor, mit dem sie sich so vehement zur Wehr setzte. Wir aber verloren durch die übertriebene Härte etwas an Substanz, mussten Chris und Gibbs aufgrund von Verletzungen hergeben. Die Lübecker Anstandsdamen versuchten mit verbotenen Mitteln unsere Sicht zu vernebeln, aber das gelang ihnen nicht. Der Wind stand günstig und unser Kurs war klar: Diese Verabredung sollte zu unseren Gunsten ausgehen. Das sah aber der Dame noch nicht ein und verteidigte sie sich trotz zahlenmäßiger Unterlegenheit tapfer, machte sogar Anstalten, uns den Pullover hochzuschieben und sich Richung Brustkorb vorzuschleichen. Und das nicht nur einmal. Was für eine Unverfrorenheit. Aber aus durch Inceman, Gruszka, Stanislawski und Müller relativ gesichertem Verschluss setzen wir unsere Angriffsbemühungen fort und konnten die Verabredung für uns entscheiden. Als der Türsteher in Blau zur letzten Runde aufrief, dem bunten Treiben durch einen schrillen Pfiff ein Ende setzte, stand es Zwei zu Null für uns. Der Tag war gerettet, das Date hatte sich mitsamt seiner Vorbereitung und Aufregung gelohnt. Wir hatten der Dame gezeigt, das mit uns nicht zu spassen ist, das wir eine erste Abfuhr nicht hinnehmen.

St. Pauli Ground

St. Pauli Ground

Nachspielzeit: Selbst die Hamburger Polizisten waren hoch erfreut und fuhren, mit Blaulicht jubelnd durch Sankt Paulis Strassen. Was für eine nette Solidarbekundung. Wir aber, angestrengt durch diese mehr als leidenschaftliche Verabredung begaben uns ins Jolly Roger. Nach gutem Sex ist ein geistiges Getränk und eine wohlverarbeitete Zigarrette als Entspannung nicht von der Hand zu weisen. Langsam aber sicher versammelten wir unsere Gemeinschaft, unserer Gedanken und Gefühle. Rispi, Superfly, die Boys In Black und ich verliessen aber schnell das Jolly Roger wegen Überfüllung und wanderten gen Fanladen. Endlich konnte ich mich setzen und meinen geplagten Rücken entspannen. Dort nötigte Netzmeister jungen Fußballtouristen das Zeigen von Fotos auf: “Das Foto hier ist von Annodazumal und der hier, das bin ich!”. Orsen saß das Ganze in gewohnter Ruhe aus, Absichtsbekundungen, sich in Braunschweig wieder zu einer Verabredung zu treffen wurden ausgetauscht. Achim und Silversurfer folgten mit zwei Jüngern der Fäustling-Glaubensgemeinschaft in den Fanladen und so wurde der erste “Fäustlingstammtisch” im Fanladen ausgrufen. Konnte durch die junge Aushilfskraft im Fanladen das ehrwürdige Paulanergetränk noch vor uns verwahrt werden, so gab endlich Cathrin das Getränk zur Vernichtung frei und zeigte uns auch Portraits der Mannschaften, die am Fanclubturnier im Dezember teilgenommen haben. Bleibt die Frage offen, ob die Lücke im Portrait der Aktion Süd durch den zweiten Silversurfer entstanden ist, der sich anscheinen irgendwie nicht richtig belichten lassen wollte.

Weiter, bzw. zurück ging es dann ins Jolly Roger. Rispi, Orsen, Mopri und ich schauten uns dort noch etwas Fußball auf Premiere an, genossen die Zusammenfassung unserer erfolgreichen Verabredung und nahmen zufrieden die Erkenntnis auf, das wir uns einen Platz in der Tabelle vorgearbeitet haben. Wir liessen wohlwissend die Tatsache links liegen, das die Braunschweiger Gesellen eine (oder sogar zwei?) Verabredung absagen mussten. Der Weg nach Hause dann war ruhig und die Bahn trug uns wohlbehalten durch die Hamburger Nacht.

P.S.: Das junge Herren Tapeten wie z.B. Scheiss VFB Lübeck aufhängen finden wir nicht wirklich witzig!