Kolumne sanktpauli 03

T-Shirts zu Werbeträgern!

Ich gebe es zu: Ich esse gern gut, rauche gern Zigaretten ohne Filter und Zigarren, trinke Weißbier und guten Wein. Man könnte sagen, ich sei ein Genießer. So gesehen gibt es keinerlei Grund, sich über eine Zigarette zu echauffieren. Akzeptiere ich doch auch Trikotsponsoren wie Whiskey-Hersteller oder andere Sponsoren wie zum Beispiel Bierbrauereien. Auch über die Tatsache, das ein Telekommunikationsunternehmen eine Leistung anbietet, die so manchen Jugendlichen zu Schulden verführt aufgrund von Mitteilungsdrang via Handy und SMS mache ich mir nicht konsequent Gedanken. Mit einem Flugunternehmen, das für Kurzstreckenflüge Kerosin tonnenweise in die Atmosphäre schleudert will ich garnicht anfangen. Wie man also sieht könnte man an jeder Marke, mit der ein Verein sein Budget aufbessert etwas auszusetzen haben.

Der Anstoss meiner Erregung

Der Anstoss meiner Erregung

Aber eine Zigarette. Als ich die Saisonbeilage eines Fußballvereins aufschlug dachte ich erst an einen Promotiongag, checkte aber Tage später die angegebene Internetadresse und konnte mich auf einem Benefizkonzert von der tatsächlichen Existenz der Zigarettenmarke überzeugen. Was soll ich sagen? Ich bin maßlos enttäuscht über die Kurzsichtigkeit und auch Verantwortungslosigkeit der dafür zuständigen Marketingabteilung des Vereins. Kann man sich über Sponsoren und Verantwortung für deren Produkte noch streiten, so gilt das Diskussionspotential hier nicht mehr:

Ein Verein, (ebenso eine Marke) der aktiv eines seiner rechtlich gesicherten Markenzeichen an ein Produkt bindet, begibt sich in den Strudel der Verwässerung von Marke, Wert und auch dem mit dem Verein verbundenen Kult. Dieser Verein – denn über das Markenzeichen wird der Verein identifiziert und nicht eine Marketingabteilung oder beauftragte Werbeagentur – kommuniziert sich nun über das Produkt, in diesem Fall eine Zigarette. Das Produkt, in diesem Fall eine Zigarette kommuniziert sich über den Verein und die mit dem verbundenen Marken- und Kultwerte.

Ist das falsch oder richtig? Falsch für den, der auf seinen Ruf bedacht ist und Verantwortung für sich, seine Mitglieder und Anhänger übernimmt. Richtig für den, der auf die Auswuchtung der Geldbörse achtet und kurzfristig wirtschaftlichen Mehrwert sucht.

Unabhängig von den Gedanken an den eigenen Ruf, an die eigene Markenkraft wird ein weiterer Aspekt ausser Acht gelassen: Das Motiv an sich – mittlerweile Markenzeichen – prangt auf abertausenden von Kleidungsprodukten, Aufklebern und anderem Merchandisematerial. Damit wird jeder Käufer zu einem unfreiwilligen Werbeträger für ein Produkt, für das er oder sie sich nie entschieden hat, im Zweifelsfall wohl auch nie entscheiden würde. Wie reagiert man, wenn man mit einem Vereinszeichen auf dem Sweatshirt durch die gastronomische Erlebniswelt wandelt und ständig gefragt wird, wo denn der Rest des Promotionteams steckt und ob man mal eine Zigarette zum Probieren da hat?

Ich sehe es schon vor mir, das Mannschaftsfoto einer kommenden Saison: Junge verlotterte Männer mit filzigen Haaren und Drei-Tage-Bärten haben eine Kippe im Mund und eine Bierflasche in der Hand. Leicht verkatert blicken sie gen Himmel. Denn sie glauben, lieben und hoffen. Bleibt die Frage an was?