Kolumne sanktpauli 08

Bekennerbrief

Ich gestehe, das ich eigentlich einer der Fans bin, denen schon lang Stadionverbot erteilt werden sollte. Und das aus guten Gründen, denn ich bin gemeingefährlich.

Nehmen Sie allein die letzte Saison: In Freiburg habe ich chemische Waffen ins Stadion geschmuggelt: Lang getragene ungewaschene Socken! Hinzu kommt, dass ich durch wiederholtes Applaudieren meinen Gipsarm aufbrach, was zu herumfliegenden Splittern führte. Dem Vermummungsverbot habe ich dort auch getrotzt: Mit einer rundum abschließenden Sonnenbrille. Außerhalb des Stadions habe ich mich ebenso ungebührlich verhalten: Ich wollte anderen Menschen das Urinieren in Vorgärten verbieten und das sogar unter Androhung körperlicher Konsequenzen. Oder Burghausen: Den überaus gastfreundlichen Menschen dort habe ich in einer Festhalle durch wildes Wedeln einer Schwenkfahne Zigarettenqualm in die Augen getrieben. Der hiesigen Gastronomie habe ich durch den Verzehr eigens mitgebrachter Getränke und Lebensmittel erheblichen Schaden zugefügt. Und ? Sie werden es kaum glauben ? im Burghausener Stadion bin ich durch das Abbrennen von Wunderkerzen auffällig geworden. In Köln wiederum habe ich trotz konsequenter Beweisaufnahme der Polizei eine leere Zigarettenschachtel durchs Stadion geworfen und mich nicht darum gekümmert, ob sie jemanden trifft. Und später in der Altstadt habe ich versucht, die Kölsche Stromversorgung mittels einer Schwenkfahne lahmzulegen. Sie sehen, eine Schwenkfahne ist eine echt gefährliche Waffe. In Braunschweig habe ich mich in einem vollgedrängten Bus eine Dreiviertelstunde durch die Gegend chauffieren lassen und dabei unaufhörlich die anderen Fans durch falschen Gesang malträtiert.

Die Steigerung erfährt das grundgesetzgefährdende Verhalten dadurch, das ich mit Bauwagenbewohnern sympathisiere und konsequent gegen Rechtsradikalismus bin. Dann schreibe ich auch noch Kolumnen, in denen ich Menschen der Stillosigkeit beschuldige, gefährliche Wortspiele veranstalte, die zu verbalen Scharmützeln führen und Leser mit selbstverfasster Poesie quäle.

Und selbst das kann ich noch toppen: Im Millerntor benehme ich mich konsequent unmoralisch und gefährlich: Ich verteile Wurf- und Brandmaterial in Form von Konfetti, Luftschlangen, Ballons oder gar Flugblättern an eigene Fans und stifte diese zu extrem gefährlichen Aktionen an. Und ? Sie werden es kaum glauben ? mit selbstgemachten Doppelhaltern nehme ich anderen Zuschauern die Sicht auf das attraktive Spiel unseres Teams. Ich habe eine Internetseite organisiert und betreut, die zu Spenden für den FC St. Pauli aufrief, auf unserer Fanclubwebsite und im Fanforum Berichte veröffentlicht, die sich kritisch mit unserem Verein auseinander setzten. Im Fanladen trinke ich gern ein Bier und spiele Kicker gegen andere Menschen.

Aber das Allerschlimmste ist:
Ich rauche, trink und singe gern. Also bitte,
haltet mich bloß vom Stadion fern.

Trau Dich!

Trau Dich!