Normal?

Frankfurt oder was ist schon normal?

Aufstehen. Körper, Gelenke, Muskeln strecken. Koordinierung beginnt langsam, müde und verschlafen folgt der Geist. Erste Gedanken tauchen auf: “Rückrunde. Heimspiel. Abstiegsangst. Tabellenzweiter.” Verdrängt die Gedanken, Kaffee duftet und tut gut. Das Fischen nach der Zigarette vollendet ein morgendliches Ritual. Oder ist es nur Gewohnheit?

USP Flyer

USP Flyer

Die Vorbereitung auf das Spiel folgt einer Gesetzmäßigkeit, mit der keine Einsamkeit aufkommen kann. Machen es doch die meisten so. Aber dennoch: Inmitten der Masse Einsamkeit in Gedanken, Ängsten, Irritationen. Flucht in Freude, Gerede, Getrinke und Lachen. Möglichst laut. Möglichst viel. Heute ist Spieltag. Andere Sorgen treten zurück ins Glied. Was nicht Fußball ist, ist nicht existent. Der Blick ist Tunnel und das Licht am Ende schwach.

Freunde treffen, Bierdosen zischen, die Erregung steigert sich durch Gemeinsamkeit. Gesichter verknüpfen sich mit Namen. Das Herz wird langsam warm, die Aufregung immer größer, der Kopf diffus und irgendwie mittendrin: Klo, Nuhnuh, Silversurfer, Mosh, Kim Il Sung. Weißbier, Dart, Tippel Inn. Wechsel der Szenen, Wechsel der Gesichter und Namen. Dann endlich. Stadion, Einlass. Erster Ärger: Dauerkarte Gegengerade ist nicht für Südkurve. Kamera begleitet Dauerkarte. Keine Fotos aus der Heimat. Trennung zwecks Austausch. Silversurfer und Bob in die Gegengerade. Superfliege Block 1. Der Rest hält die Süd.

Wieder ein Ritual. Tapete ausrollen, Doppelhalter und Fahne aufziehen. Menschen sortieren, Kassenrollen und Flyer verteilen. Kennenlernen Travemünder. Kooperation für eine Choreo, die schön anzusehen und doch so endlich ist. Das Spiel kann beginnen. Allein wo ist das Brot? Herz von Sankt Pauli. Höllenglocken. Einlauf. Sitz auf dem Zaun, halte die Tapete, schwenk die Fahne. Wirf die Kassenrolle. Mach was Du willst, aber mach es richtig. Sei konsequent. Wiederkehrende Handlung im Kontext eines Spiels. Kindheit, Jugend. Strasse und Verein. Gestern. Heute Mittelalter. Fan. Hyperaktiv. Trunken von Gedanken und Bier. Mittendrin und irgendwie doch nicht dabei.

Ultra”” Sankt Pauli und Passanten. Aufruf zum Roar. United we stand, divided we fall. Kaum zu hören. Viele Stimmen verderben den Klang? Luftballons und Tapeten bei Euch. Tapete bei uns. Das Abendblatt zitiert. Wieder eine Zeile. Einfach, da geliefert. Aber das Spiel bringt Hoffnung. Kampf, Willen, Leistung und Chancen. Aber das Spiel bringt Rückstand. 0:1. Stellungsfehler der Mauer. Rückstand macht Angst. Angst schnürt Kehle zu, lässt Texte vergessen. Oder war es doch der Alkohol? Verhaltener Support qua Einschüchterung. Ein Teil des Kredits ist verspielt. Holt ihn Euch zurück. Wenn Ihr könnt. Das Leben ist kein Wunschkonzert.Und doch folgt Erleichterung. Der Sohn trifft, der Vater freut sich. Ein Punkt. Zwei weniger als drei, einer mehr als keiner. Der Einstand scheint gelungen. Erfolg gibt Recht, erstickt Zweifel. Abpfiff.

Dritte Halbzeit. Wer demonstrieren will, hätte vorher besser in die Gelben Seiten geguckt.

Es zieht ins Warme, zieht zum Tisch. Sitzen. Ausruhen. Kopf klar kriegen. Nach vorne schauen. Drei Weißbier, ein Cuba Libre und zwei Pils. Silversurfer, Enrico, Bob, Dr. Dab mit Freundin. Pinkeln und den Schreibern der Mopo lauschen. Kurze Aufregung: “Das heisst Sankt Pauli und nicht Pauli, ihr Vollpfosten.” Diskussion, Angst steht dem Reporter leicht ins Gesicht geschrieben. Verständnis, Gefasel von “Ich war auch mal Fan” und das Hornbysche Syndrom des Fans, der professionell über seine Leidenschaft berichten soll. Zeilen müssen gefüllt werden, die Auflage soll steigen und die Wahrheit liegt irgendwo zwischen den Kontaktanzeigen. Die “1/4 nach 5” ist pleite. Soviel steht fest. Da hilft auch kein Kabarettist, der Präsident spielt. Kein Unternehmer des Jahres. Kein Sohnemann, der väterliches Erbe antritt. Immerhin: Montag wird Krause St. Pauli statt Pauli in der Mopo schreiben.

Weitergehen, nicht stehenbleiben. Die nächtliche Unruhe treibt weiter. Beatclub. Volles Lokal, volle Lautstärke und volle Köpfe. Rispi kommt. Kickern und Zigaretten an den Kopf schnippsen. Erste Verwarnung mit Androhung körperlicher Sanktion. Wer es nicht kann sollte es lassen. Das Trinken, das Provozieren, das Miteinander. Abpfiff. Heimweg zu Fuß und mit Rispi, Moni und Superfly. Wer demonstrieren will, hätte vorher besser in die Gelben Seiten geguckt. Der rechte Fuß schmerzt. Höllisch. Ich will nicht mit dem Mund malen müssen.

Gute Nacht.

Kategorie C

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