Berliner Sicht 01

Berlin oder was ziehe ich bloß an?

Intro Berlin

Intro Berlin

Das Dasein als modisch interessierter und eitler Mensch macht einem das Leben schon schwer. Vergangenen Freitag schickte ich mich an, dem Kartencenter unseres Vereins einen Besuch abzustatten. Es galt zwei Karten für das Mannheim Spiel zu kaufen, um den Ariane zum Geburtstag geschenkten Gutschein einzulösen. Außerdem sollte Bob endlich seine Dauerkarte bekommen, die ihm die Aktion Süd, ein Teil der Arschrocker und AFCler unlängst zum Dreißigsten ebenfalls in Form eines Gutscheines geschenkt hatte. Gesagt, getan: Bob erhielt seine Dauerkarte, Ariane ihrer Karten gegen Mannheim und ich vertrieb mir die Zeit mit dem Durchstöbern der St. Pauli Fankollektion. Geneigte Besucher und Fans unseres FC Sankt Pauli von 1910 werden bemerkt haben, das der Stil unserer Clubware den Trends der letzten Jahre nicht widerstehen konnte. So liegen schicke Girlie-Shirts neben altbewährten Totenkopf-Kapuzenpullis, Motive sind erweitert worden und so manch Fan wirbt für unseren Verein mit der Postleitzahl, dem Stadtteilnamen in Lautschrift oder einfach nur durch ein modisch braun-weiß gestreiftes Jäckchen mit Reissverschluss.

So stehe ich also zwischen all diesen schicken Sachen und frage mich, was mir von all diesen Artikeln wohl gut zu Gesicht stünde. Und da geht das Debakel dann ja auch schon los. Denn die Frage allein ist nicht nur, was mir zu Gesicht steht. Vielmehr impliziert eine Bekleidungsstrategie auch die Frage, was von meiner übrigen Garderobe dazu passt und kombinationswürdig ist. Und was nicht nur im Stadion gut zu tragen ist sondern sich auch im normalen Leben schickt ohne gleich den Eindruck eines Kutte tragenden Astra-Trinkers zu erwecken. Diese Gedanken abwägend und die eine oder andere Kombination in Gedanken zusammenstellend entschied ich mich für ein langärmeliges T-Shirt in braun-beige, das auf dem Rücken ein kleines Vereinslogo zur Schau stellt und auf der Brust stolz “Sankt Pauli – non est. 1910″ kolpotiert. Dazu erwarb ich noch einen Balkenschal in braun-weiß-rot. Zufrieden ob der Befriedigung meiner Style- und Shoppingbedürfnisse verliess ich mit Bob zusammen das Kartencenter – nicht ohne über den Freezersmerchandise innerlich die Nase zu rümpfen: Babyblau! Ihgitt – und wir begaben uns zur Dualbar, um dort anderweitigen Aspekten des trendbewußten und stilsicheren Lebens zu frönen. Cafe Latte, Cappuccino, Becks, Paulaner und Carlos Primero wurden zahlreich geordert, getrunken und bezahlt. Später dann machte ich mich noch auf den Weg in das bolivianische Restaurant meines verehrten Trainers Erico Cortez, verzehrte dort bolivianischen Rum und bayerisches Bier. Man ist ja Cosmopolit.

Samstag nun planten der Silversurfer und ich den Abend und den kommenden Sonntag, der uns das Spiel gegen Union Berlin bringen sollte. Allein: was sollten wir anziehen? Was trägt man im Stadion, das verschiedene Aspekte des modernen Lebens berücksichtigt. Es soll gut aussehen, Wohlfühlcharakter haben und bequem sein, ein gewisses Understatement liefern und natürlich nichts an sich haben, das dem Verein unseres Herzens schon mal Unglück gebracht hat. Da ich ja den neuen Schal und das T-Shirt hatte war meine Kombination schnell zusammen gestellt: Der Schal, das Shirt, eine dunkelblaue 501, Calvin Klein Unterwäsche, schwarze Socken von H&M, ein schwarzer Blouson und darüber eine ockerfarbene Cordjacke von Cinque. Nicht zu vergessen meine spanischen Schlangenlederstiefel und die Armani Sonnenbrille. Wußte ich doch, das die Sonne gerade Sonntagnachmittags gern am Hamburger Himmel steht. Die Stiefel versprachen mindestens einen Punkt, hatte ich sie doch in Burghausen (Hinrunde) und gegen Frankfurt (Rückrunde) schon an.

So traf ich also Sonntag um 15:25 Uhr im Stadion ein – zu spät, da ich selber noch zu spielen hatte, aber rechtzeitig, um nichts verpasst zu haben. Das Weiß unserer Trikots ergänze sich hervorragend zu den roten Ensembles der Berliner und auch unser Torwart Müller schwor auf elegantes Schwarz, ganz in Tradition der großen Torhüter wie Maier oder Jaschin. Das modische Bewußtsein unserer Spieler beschränkte sich aber auf Schaulaufen und sie rannten ständig den Berlinern hinterher. Wohl um zu fragen, woher man diese schicken roten Leibchen erstehen könne. Die Berliner hingegen setzten alles daran sowohl ihre Leibchen zu verteidigen als auch dem Outfit unseres Herrn Müller den einen oder anderen Schmutzfleck zuzufügen. Allein Bubu wird das schon wieder rauskriegen. Welches Waschmittel er wohl nimmt bei welcher Gratzahl? Und Weichspüler? Nimmt Bubu wohl Weichspüler?

Nun, die erste Halbzeit führte zu keinem befriedigenden Ergebnis, brachte uns aber auch nicht in Rückstand. Von praktischen Aspekten der Spielermode mal abgesehen, da man auf Weiß ja sehr schnell Flecken sieht. Aber da mühten sich unsere Spieler ja vorbildlich, ihre Trikotagen sauber zu halten. In der zweiten Halbzeit aber kam es so, das Herr Blank und Herr N””Diaye uns mit zwei schönen Törchen in Führung brachten. Hatte sich doch der Laufsteg tatsächlich zu einer kleinen Höllenstube entwickelt und bis zur siebenundachtzigsten Minute liess sich der Tag gut angehen. Da aber machten uns die Berliner Keita und Veit einen dicken Strich durch die Bekleidungsrechnung, es stand Zwei zu Zwei und der Schiedsrichter pfiff ab. Modisch gesehen alles richtig gemacht, spielerisch total verkackt.

Was werden wir wohl in der Liga Drei tragen..?

VORAN Sankt Pauli!

Euer Modefan