Anhörung

Oberhausen oder weisst Du wie sich das für mich anhört?

Oberhausen

Oberhausen

Ein Spielbericht der klassischen Art. Nichts verrücktes diesmal, sonst heisst es wieder: “Der Dutch, der dreht doch sowieso am Rad.”

Donnerstag habe ich mich kurzentschlossen in den Fanladen begeben um dem Beispiel von Rispi, Nuhnuh und Klo zu folgen und den Weg nach Oberhausen einzuschlagen, um unserem Team den Rücken zu stärken. Was hatte ich davon? Sonntags um sieben Uhr aufstehen! Das muss man sich mal vorstellen. Und die Gefahr, im Sonderzug ob meiner Nörgelei wegen des mittlerweile legendären Gruppenfotos gesteinigt zu werden. Aber das ist eine andere Geschichte, die hier nicht erzählt wird.

Also wurde Samstag erstmal im Walmart zusammen mit Rispi eingekauft, um im Zug unsere Reisegruppe versorgen zu können. Ein Besuch im Walmart als solcher ist schon einen Bericht wert. Aber das erspare ich Euch und mir jetzt. Sonntagmorgen also um sieben Uhr aufgestanden und mit Rispi zusammen zwei Kannen Kaffee durch die Maschine gejagt und in Thermoskannen abgefüllt. Die Verschlüsse waren früher auch mal einfacher zu handhaben. Hightech pur sage ich Euch. In Bezug auf Thermoskannen bin ich ja sowas von Old School. Schlussendlich die Sachen gepackt, im Auto verstaut und den ganzen Kram zum Altonaer Bahnhof gefahren, Auto geparkt und Sachen zum Zug gebracht. Ein Teil unserer Reisegruppe war schon vor Ort: Nuhnuh, Klo und ein gewisser Klaus von der Basis. Südkurve stieg später in Harburg zu, die Boys In Black waren schon im Ruhrgebiet und St. Pauli Boy nebst Freundin sollten wir am Stadion treffen.

In Altona ging es schon mit leichter Verspätung los, in Harburg standen wir sage und schreibe eine halbe Stunde rum. Jemand bat, auf eine fünfzigköpfige Gruppe aus Bergedorf zu warten, die auch mitfahren wollten. Machten wir. Nur das sich die fünfzigköpfige Gruppe als Duo entpuppte. Was für ein Fake. So kamen wir in Bremen mit einer Verspätung von fünfundvierzig Minuten und in Oberhausen mit einer Stunde Verspätung an. Danke Bergedorf, danke.

Die Fahrt wurde geprägt von unserem Groundsleeping Contest: Im Rahmen des Events konnte man Punkte durch Schlafen sammeln. Zugfahrt und Spiel wurden aber gesondert bewertet. Und es zählte nur der Schlaf, der mit Foto oder Video bewiesen werden konnte. Klo legte auch gleich mächtig los. “Ich in müde!” “Ey, was ist denn das für ein Scheissname?” leiteten seinen ersten Punktversuch ein, der aber abrupt vom Karten kontrollierenden Ordner abgebrochen wurde. Etwas später versuchten wir, die Heizung runterzudrehen, die mächtig Schub gab. Also brav und wie gelernt den Regler von Rot Richtung Blau gedreht. Allein die Heizung wollte nicht so wie wir. Der Ordner war echt hilfsbereit und klärte uns darüber auf, das ja bekanntlich Blau für Heiss und Rot für Kalt steht und fummelte an dem Regler entsprechend rum. Ist schon klar. Wenn ich zuhause den roten Wasserhahn aufdrehe fallen bei mir auch immer Eiswürfel aus der Leitung. Später präsentierte er uns stolz selbstgemachte Frikadellen. Also mich macht das immer stutzig, wenn Menschen Dinge essen, die mehr IQ haben als sie selbst…

Egal, Klaus überholte Klos ersten Punktversuch locker um mindestens eine halbe Stunde, Rispi konnte zwar nachlegen, machte erstmal Rang drei hinter Klaus und Klo klar. Da ich den Vorsprung aus Stuttgart hatte machte ich mir keine Sorgen um meine Tabellenführung in der Gesamtwertung und frühstückte erstmal seelenruhig: Kaffee, belegtes Brötchen, Frikadelle und zu guter Letzt das erste Bier. Kaffee und Bier verlangten auch bald den ersten Gang auf Toilette und diesmal waren die Schlangen im Vergleich zur Braunschweigfahrt human und die Sache konnte gelassen angegangen werden. Stutzig machten mich aber die Schränke der Northside und der Typ mit dem Onkelz Shirt. Irgendwie nicht ganz Sankt Pauli affin möchte man meinen. Ein “Du hast dein T-Shirt falschrum an!” und seine Reaktion (“Äh, wie jetzt? Wo denn?”) überzeugten mich dann auch vollends von der unglaublichen Intelligenz des jungen Herrn. Eine der beiden Toiletten war für die anwesenden Damen reserviert und nur mit Schlüssel zu öffnen, was bei so einigen Herren für Unmut sorgte. Eine kurze Diskussion zwischen Northside und wartender Dame wurde von mir mit einem “Ihr Frauen habt doch schon das Wahlrecht. Das dürfte doch wohl ausreichen!” quittiert. Der Northside-Maske fiel das Gesicht zwischen die Eier. Einzig die Dame ordnete meinen Humor richtig ein und lachte herzlich über meinen sarkastischen Scherz. Soviel dazu.

Die Fahrt wurde länger, unsere Gruppe munterer. Jeder Unterhaltungsfetzen wurde mit einem “Weisst du wie sich das für mich anhört? Plärr, Buuuuäääääähhhhhh, wir haben nur noch Sauerstoff für zwanzig Minuten und müssen alle sterben. Buuuuäääääähhhhhh Plärr” beendet und alles liess sich gut und mit viel Gelächter an. Einzig und allein das Bier neigte sich mit dem Ende der Fahrt zur Neige und wir schafften es tatsächlich schon eine halbe Stunde vor Erreichen des Endbahnhofs auf dem Trockenen zu stehen. Die jungen Herren nebenan waren so nett uns den Rest ihres Warsteinerfasses zur Verfügung zu stellen. Aber der glich eher einer Urinprobe. Egal, weg damit, ab dafür. Wozu hat man Eier?

Bald darauf enterten wir Oberhausen und schlossen die Boys In Black in die Arme. Beiden hatten den Vater von Boys In Black (for her) in Wattenscheid besucht und den Herrn Papa auch gleich mitgebracht. Im Sankt Pauli Sweater machte der Mann eine gute Figur. Fetter Respekt! Wir reihten uns in die Schlange ein, die in die Busse waberte und waren recht fix am Stadion. Der Weg dorthin liess bei mir eine Menge Erinnerungen aufkommen, da der Großteil meiner Familiie aus Oberhausen kommt und wir immer den Weg am Stadion vorbei zu Oma und Opa oder anderer Verwandtschaft nahmen. Ausserdem war mein Großvater väterlicherseits lange mit der Pflege des Stadions und des Schwimmstadions betraut und mein Vater praktisch dort aufgewachsen. So erblickte ich leicht gerührt den Ort des Geschehens und verspürte einen Hauch von Vertrautheit.

Vor dem Eingang zur Kanalkurve sammelten wir uns, begrüßten St. Pauli Boy und Freundin, liessen weiteren Personen Bergrüßungen zukommen und uns durch das Nadelöhr Eingang und Karten- und Körperkontrolle treiben. Trotz der Enge war der Eindruck, zumindest mein persönlicher ein eher freundlicher, da die Ordner um mich herum ganz witzig und zuvorkommend waren. Im Stadion war die Truppe wieder recht schnell vereint und wir stellten uns rechts vom USP- und Passantenmob. Die Stimmung war zu anfangs recht gut. USP und Passanten machten Alarm und wir schlossen uns dem an. Das Bild war zwar nicht so schön wie bei uns am Millerntor aber es sah doch im Vergleich zu den Oberhausenern beeindruckend und schön aus. Der Support liess aber irgendwie nach da innerhalb der Kurve einige Lücken waren und aufgrund der Akkustik auch nicht alles von der einen zur anderen Seite rüberschwappte. Und wenn von der Gegenseite war rüberkam und wir versuchten es aufzunehmen, dann machte der Capo mit Flüstertüte auf dem Zaun sich einen Spaß daraus, etwas anderes anzustimmen. Soetwas nennt man kontraproduktiv, mein Herr. Trotz allem gebührt seinem Einsatz Respekt. Weiter so.

Naja, was soll ich zum Spiel sagen? Drei Dinger gegen uns sprechen für sich. Nach dem ersten Gegentor hatte ich ja noch Hoffnung, da die Mannschaft in den letzten Spielen den nötigen Einsatz und Kampf gezeigt hat, einen Rückstand auszugleichen (genauso wie einen Vorsprung innerhalb von drei Minuten zu verspielen). Aber die Tatsache, das ich keinerlei Torchance zu sehen bekam machte mir Angst und Bange. Mit dem Zwei und später Drei zu Null war das Thema auch durch. So schlapp hatte ich unser Team schon lange nicht mehr gesehen und über die Einwechslungen des verehrten Herrn Gerber kann man sich ohne weiteres streiten.

Letzten Endes kann ich nach so einer Leistung dann auch nicht mehr applaudieren. Wenn ich fünf Stunden im Zug sitze, morgens um Sieben dafür aufgestanden bin, um in Oberhausen Fahnen zu schwenken und mich heiser zu singen dann fällt mir zu so einer Anti-Leistung nichts mehr. Dementsprechend schnell waren wir auch raus aus dem Stadion und auf dem Weg zum Bus. Begleitet von Dr. Dreh führte ich mit ihm eine Diskussion um das Gruppenfoto und meine Kritik daran. Es war nicht die erste und auch nicht die letzte des Tages. Was solls? Mann gönnt sich ja sonst nichts.

Am Bahnhof organisierten wir noch Fahrbier. Rispi wurde erst von den freundlichen Herrn in Grün nicht durch die Kette gelassen. Wegen des Schals. Aber clever wie Frauen sind drückte sie mir den Schal in die Hand und marschierte erneut los. Mit Erfolg. Freudestrahlend kam sie mit einer Palette Ritterpils zurück. Klaus schaffte es ebenso, eine Palette Bier zu organisieren und so stiegen wir zwar deprimiert aber bestens gerüstet in den Zug. Unsere zurück gelassenen Sachen und Fressalien waren allesamt noch da wo wir sie hatten liegen lassen. Schönes Ding das. Klo drehte die Musik auf, die ersten Büchsen schnalzten ob ihrer Öffnung und los konnte es gehen. Aber was war das? Aus den Bordlautsprechern dröhnte obskure Fahrstuhldisco und eine etwas ältere Dame Marke liberal gekleideter und doch spiessiger Grundschullehrerin monierte auch sofort unsere Musik. Ich setzte gekonnt die Bordlautsprecher ausser Gefecht (man muss nur wissen welcher Draht gezogen werden muss und schon ist die Bombe entschärft) und wies die Frau auf ihren Platz. “Wir haben die Musik auf der Hinfahrt gehört, also hören wir sie auf der Rückfahrt auch. Und sie waren auf der Hinfahrt nicht hier im Waggon. Also Ruhe jetzt!” Beleidigt holte sie ihre “tina” aus der Tasche und blätterte darin. Nicht ohne mir hin und wieder einen grimmigen Seitenblick zukommen zu lassen. Und ihrem Sohn war sie sowas von peinlich. Lass das nächste Mal deine Mutti zuhause. Dann klappts auch mit den Nachbarn.

Da Heiko jede Frage nach verbliebenen Biervorräten höflich mit dem Satz “Geht mal zu den Arschrockern und der Aktion Süd. Die haben zwei Paletten Dosenbier.” beantwortete herrschte bei uns bald reges Treiben. Allein dem Reibach, den wir hätten machen können haben wir uns verweigert und die Büchsen so hergegeben. Danke dafür an Rispi und Klaus. Es stellte sich auch bald heraus, das West Brom im Stadion Groundsleeping Punkte gesammelt haben soll. Aber ohne Bildbeweis wird das nicht gewertet. Also her mit den Fotos mein Freund.

Bleibt zu erwähnen, das die Northside sich mit einem anderen Fanclub angelegt hat. Aber mein Angebot, den dabei entstandenen Zahnverlust zu richten, da ich Zahnarzt sei wurde mit dem etwas schwer verständlichen Kommentar “Wir haben schon einen.” abgetan. Wer nicht will, der hat schon. Schliesslich bin ich ja auch nicht wirklich Zahnarzt. Aber just in jenem Moment verspürte ich die Lust, mich in diesem Berufszweig einmal praktisch auszutoben. Und an wem sonst, wenn nicht an der Northside?

So, und irgendwann waren wir dann auch mal zuhause. Und wegen dem Gruppenfoto gibt es von mir hier nichts zu lesen. Ich beschränke mich darauf, das mit den richtigen Leuten demnächst “in echt” auszudiskutieren. Wobei ich manch einer dann doch zurufen könnte, das keine Antwort auch eine ist und das es immer einfach ist, Kritik mit dem Hinweis auf emotionalen, gekränkten Ursprung zu reduzieren. So nicht, Frau Capo…

Und jetzt kommt ihr.