Kölner Domweihe

Domweihe in Köln- 28.04.03

Herrjeh, wo soll ich bloß anfangen? Der Junge in mir ruft ?Gib mir all dein Gold!?, doch der alte Knacker, der ebenso in mir schlummert weigert sich standhaft, die Fischstäbchen rauszurücken. Mehr als zwei Wochen ist es her, das Sasch, Silversurfer, Superfly, Modefan und ich uns aufmachten nach Köln, um dort einem der, letztendlich wohl entscheidensten Spiele der restlichen Saison zu beizuwohnen. Danach war der Fantalk mit unserem Präsidenten Corny Littmann, es wurde am 1. Mai bei mäßigem Wetter an der Elbe angegrillt, das Burghausenspiel fand auch noch statt und zu guter Letzt schipperten wir mit einer Handvoll Burghausener über die Elbe. Es ist viel passiert und vieles wird durch die Ereignisse in Frage gestellt. Aber fangen wir wie so oft von vorn an?

Kölner Domweihe

Kölner Domweihe

Es begab sich an einem Montag, das Sasch, Silversurfer, Superfly, Modefan und ich uns auf einem Parkplatz in der Spaldingstraße trafen, um mit dem Audi von Modefan nach Köln zu düsen. Modefan hatte schlauerweise zwei Geschäftstermine örtlich und zeitlich so gelegt, das die Benzinkosten und sein Hotel auf Firmenkosten gingen. Sasch, Kölner im hanseatischen Exil konnte für Superfly und sich eine Übernachtungsmöglichkeit klarmachen, Silversurfer und ich nächtigten bei Grimme, einem Hamburger im Kölner Exil. So war erst mal für alles gesorgt und der Trip konnte beginnen: Fear and loathing in Cologne. Die Fahrt war kurzweilig, kein Stau hielt uns auf und untalentierte Fahrer wurden wüst beschimpft. Sasch hatte eine CD dabei, auf der neben dem Köln-Lied der ?Höhner? (irgendwas mit ?Kölle? und ?Mir stonn zu dir? ? versteht ja keine Sau, was die so brabbeln) auch das ?Herz von St. Pauli? war. So wurde eifrig und laut mitgesungen, gefrotzelt und kurz vor Köln die ersten Biere und das erste Brötchen mit Frikadelle eingefahren. Ärgerlich, das es kein Weißbier gab und so begnügten Silversurfer und ich uns mit Pils. In der Not trinkt der Südkurvensteher eben auch Fliegengebräu?

In Köln angekommen stiegen Silversurfer und ich in Deutz aus während die anderen weiter in die Südstadt fuhren, um dort ihre Quartiere klarzumachen. Wir hingegen besuchten eine Gaststätte, die dem Silversurfer aus seinen Frondienstjahren in Köln noch wohlbekannt ist und bei Besuchen in der Domstadt gern frequentiert wird. Selbstredend ließen wir uns nicht lange bitten und das erste Paulaner hatte keine Chance. Das zweite ebenso wenig. Da sich da aber unerwartet der erste Glimmer einstellte zogen wir es vor, den Zahlemann zu machen und Grimme heimzusuchen, um weitere Aktivitäten des Tages zu koordinieren. Grimme zeigte sich hocherfreut und bester Laune. Wir also Sachen verstaut, Grimme die Karte gegeben und einen Treffpunkt abgesprochen: 18:00 Uhr, Alter Markt, Gaffel Bräuhaus. Dort sollten wir auch auf die anderen Vigilanten treffen und so machten Silversurfer und ich den Schuh Richtung Alter Markt. An der Straßenbahnhaltestelle Deutz war leichte Aufruhr, da auf der gegenüberliegenden Haltestelle ein junger Mann den Schlappen markierte Marke Vollkoma. Während Silversurfer Volltrunkenheit diagnostizierte lenkte ich noch Richtung Kreislauf oder Liebeskummer. Allein die leere Flasche Rigo neben der Bank bestätigte Silversurfers Diagnose: ?Hab ich doch gleich gesagt.? Aber auch das kann ja am Liebeskummer liegen. Der Krankenwagen war schnell da, unsere Tram auch und so glitten wir durch Köln Richtung Alter Markt.

Am Alter Markt im Gaffel Bräuhaus luscherten Sasch und Superfly auch schon in diese komischen Röhrchen, die von den hiesigen Einheimischen auch als Trinkbehältnisse missbraucht werden. Naja, da passt man sich den Ritualen und Gebräuchen an und ordert gleich was von dem ?Kölsch?. Wir uns also rausgesetzt und aufgrund unserer Trinkgeschwindigkeit musste der Köbes (Kölnisch für Kellner) etliches Fersengeld geben. Ist ja nix drin in den Dingern. Selber schuld. Kurze zeit und einige Kölsch später stiessen der Webmaster, Hoppetosse und zwei andere Gefährten aus dem Ruhrpott zu uns. Die Runde wurde größer und geselliger. Superfly und ich machten uns daran, unsere Schwenkfahne am nächstgelegen Laternenpfahl zu montieren und das Fähnchen wehte gar fein im Kölner Wind. Allein der Chef der ansässigen Gaffel Brauerei machte uns einen Strich durch die Rechnung. Ihm gefiel das nicht und so parkten wir unsere Fahne ein paar Laternenpfähle weiter mittenmang auf dem Marktplatz. Wir nahmen das dem Mann nicht krumm, da unsere Fahne dort noch besser platziert war und er ob der Fahnenverbannung einen Kranz Kölsch spendierte. (Ein Kranz ist ein rundes Tablett, das in der Mitte einen Henkel hat und über Löcher verfügt, in die man diese Röhrchen mit dem Kölsch reinstellen kann. Ganz praktisch diese Dinger. Da kann man gleich ganz viel Bier auf einmal an den Tisch ordern.) Praktischer veranlagt aber noch war die Blondine vom Brauhaus nebenan. Die jagte nämlich ihre Sonnenschirme mit dem Akkuschrauber hoch. Das muss man sich zum einen mal vorstellen und zum anderen mal gesehen haben. Alle Achtung, Frau Wirtin.

Später dann wurde unsere Runde immer größer: Bender kam mit einem Freund aus Köln, dem Torsten, Modefan hatte seine Buburunde im Hotel beendet und seine St. Pauli Montur übergeworfen, die Boys In Black ?for him? and ?for her? kamen mit ?for her?s? Papa an. Wer jetzt aber denkt, wir hätten da einen auf dicke Hose und dumme Fußballtouristen gemacht, dem sei gesagt, das wir uns zu benehmen wissen. Hanseaten pur.

Ich weiß nicht mehr, wie und warum wir auf diese Idee kamen, aber Superfly und ich beschlossen, dem Dom einen Besuch zukommen zu lassen und bei der Gelegenheit unsere Fahne in einem der Türme zu hissen. Zu anfangs hatte ich noch Bedenken, da ich mit Aktionen solcher Art aufgrund meiner zweijährigen Tätigkeit in der Pressestelle von Greenpeace Erfahrung habe. Aber nach ein zwei Kölsch mehr waren auch diese Bedenken zerstreut und wir machten uns auf den Weg. Der Dom war nur einen Katzenwurf weit entfernt, Superfly hatte die Fahne Marke neunter Monat unter der Jacke und ich stolzierte mit der Teleskopstange durch die Gegend. Wir also rein in den Dom, zwei Euro für den Aufstieg gelöhnt und fünfhundertsiebenundsiebzig Stufen später waren wir auf der Aussichts-plattform. Scheiße war nur, das die Kölner da einen Zaun montiert haben und da kaum was durch passt. Die Fahne ging so gerade eben durch und hätte der Silversurfer von seinem bequemen Stuhl auf dem Alter Markt aus nicht via Handy Tipps gegeben, so stünden wir wohl heute noch da. Im Ernst: wir stochern uns da einen ab und er klingelt durch frei nach dem Motto ?Ihr müsst das so und so machen.?. Der Hals den ich hatte hätte selbst Modefan zu Ehren gereicht. Wie auch immer: Die Fahne war gehisst und wir hatten unseren Spaß. Das Eintreffen mit voller Beflaggung auf dem Alter Markt gab ein großes Hallo und die Fotos waren die Sache allemal wert.

Heiko und Grimme waren mittlerweile auch eingetroffen und so machten wir uns bald auf den Weg zum Stadion. Bib for him war so nervös und aufgeregt, das wir sie nicht länger quälen wollten. Und so eine Reise mit der Kölner Tram ist eine schöne Sache. In der Tram wurde gesungen und die schmunzelnden Gesichter der Kölner BürgerInnen waren Lohn genug. Am Stadion angekommen wurde an der hiesigen Tanke Bier geordert und der Pulk waberte Richtung Vorwiese. Es war ein heilloses Durcheinander von Kölner und Hamburgern, bzw. St. Pauli Fans. Aber in keiner Sekunde hatte jemand von uns Bedenken, das es in irgendeiner Form Stress geben könnte. Im Gegenteil: Die Kölner waren extrem entspannt. Aber die hatten ja auch gut Lachen. Ein Heimsieg und der Aufstieg war klar. Für uns war eine Niederlage ein Schritt mehr über den Abgrund und ein Auswärtssieg wäre eine Sensation gewesen.

Alter Markt

Alter Markt

Auf der Vorwiese sichteten wir die Skinheads zusammen mit dem Herrn Ordnungsleiter Brux. Ein lautes ?Die Skinheads sind nervös, die Skinheads sind nervös? hinterließ verdutzte Gesichter und grübelnde Gehirne. Dann rein ins Stadion und Plätze für den Körper und die Fahnen gesichert. Ein paar der USPler hatten eine unserer Fahnen im Graben versenkt und Bib for him war ob diesen Vorfalls ziemlich genervt. Ich guckte nach wie tief der Graben ist und entdeckte eine Leiter, die im Graben lag. Also rein in den Scheiß, Fahne genommen und mit der Leiter wieder hoch. Dumme Gesichter seitens Ordner und Polizei entlockten nur ein müdes Lächeln. Unsere Spieler machten sich noch warm, bewarfen uns aber nach dem Aufwärmen mit T-Shirts. Das muss man sich mal vorstellen. Aber es sei erwähnt, hätten sie das nach dem Spiel gemacht, hätte der eine oder die andere das T-Shirt zurück geworfen. Eins der T-Shirts verblieb im Graben. Und dort gehört es irgendwie auch hin. Beeindruckend ist das Kölner Stadion schon. Wenn das richtig fertig ist gibt das einen feinen Ground. Und das Intro mit Schalparade war schön anzusehen. Wir stanken mit Schwenkfahnenintro dagegen an und das sah auch nicht so schlecht aus. Allein die Cheerleader hätten sich die Kölner sparen können. Einer der Ultrá vor uns machte sich darüber lustig. Sasch konnte ob seines Lokalpatriotismus dann doch nicht zurück halten und sagte irgendwas von ?Du fickst also hässlich??. Zugegeben, der Text war nicht wirklich gelungen, aber lachhaft in der Tat ist dann, das der Ultrá erst mal zu Cathrin läuft, dort petzt und mit ihr zusammen zurück kommt. Cathrin verpasst Sasch eine Schelte und der Kleine steht hinter ihr. Herrschaftszeiten, wo sind wir denn hier? Im Kindergarten?

Das Spiel war dann auch noch: St. Pauli läuft dem Führungstor der Kölner hinterher und Müller verletzt sich. Während der Behandlungsphase und des Abtransportes auf der Bahre ständiges Singen der USPler. Sorry, das halte ich in so einer Situation nicht für angebracht. Habe ich dann in der Halbzeit aber auch artikuliert. Um ehrlich zu sein ging mir USP ausnahmsweise mal extrem auf die Nerven: Ein ums andere Lied wurde so schnell nacheinander angestimmt, das der Block nicht hinterher kommt. Und in der zweiten Halbzeit nur noch ?Ein Tor, ein Tor, St. Pauli, schieß ein Tor.? Der Sprung in der Platte war nicht zu überhören und meine Stimmung sank in die Mitte unserer Erdenscheibe. Aber da war sie ohnehin schon ob des Spiels, unserer Mannschaft und des Rückstandes. Auch der Ausgleich konnte mich nicht wirklich wieder zurück holen. Nach dem ersten Tor der Kölner war meine Kehle wie zugeschnürt, kein Ton verließ mehr meinen Mund, die Stimmbänder waren auf Mute gestellt und die Gedanken auf Wirbelsturm. So kam es dann auch, das ich im DSF mit vor der Brust verschränkten Armen und trotzigem Gesicht zu sehen war. Das die Omme vor mir dann auch noch mit ?Scheißegal, Scheißegal? anfing entlockte mir einen so miesen Gesichtsausdruck, das der Schabo gleich registrierte, das ein Scheißegal mehr als unpassend war. Und wisst ihr wie ich mich anhöre? Wie ?Buuuuääääähhhhh, ihr spielt so scheiße, das ich echt keinen Bock mehr auf Support habe. Und überhaupt, wir steigen ab, wenn ihr so weitermacht. Buuuuääääähhhhh.? Aber Leute, genauso war es auch!!! (Und jetzt, wo ich das nach mehr als zwei Wochen niederschreibe werde ich schon wieder sauer!) Das die Kölner dann auch noch in Führung gingen war irgendwie klar. Der Gesang der Kölner Fans ?Wir steigen auf und Bayer steigt ab!? kam bei uns rüber wie ?Wir steigen auf und ihr steigt ab!? Auch nicht gerade stimmungsfördernd. Aber kein Grund ?Cologne, Cologne, die Scheiße vom Dom? zu singen oder Sasch (Exilkölner mit Kölnschal aber zwei Herzen in der Brust) mit ?Kölnfotze? anzumachen. Erstens ist Sasch männlichen Geschlechts, was die Fotze als faktisch unangebracht erscheinen lässt und zweitens steht ein Kölnfan wohl nicht umsonst im St. Pauli Block, ihr Vollpfosten! Naja, aber so ein Spiel dauert ja auch nur neunzig Minuten und ein paar Zerquetschte und so war es dann auch vorbei mit der Tortur. Jetzt behauptet doch noch mal, ihr könnt nicht verstehen, warum jemand in einen Puff geht und Geld dafür zahlt, gedemütigt, geschlagen und gepeinigt zu werden. Was machen wir denn anderes als genau das? Nur das der Puff ein Stadion ist und wir uns von elf, im Zweifelsfall von zweiundzwanzig Dominas exklusive Auswechselspieler demütigen, schlagen und peinigen lassen. Und die Herren und Frauen Gesetzeshüter filmen das Ganze auch noch. Das muss man sich mal vorstellen. Oder besser nicht.

Irgendwie komisch war dann aber, das wir in der Tram inmitten vieler Kölner Fans standen und die die Zähne nicht auseinanderbekommen haben. Steigen in die erste Liga auf und die Tram wackelt nicht. Wenn uns so ein Glücksgefühl wiederfährt (hoffentlich Ende kommender Saison), hätte die Tram alle zehn Meter anhalten müssen, um nicht vom Gleis zu fallen. Tja, Karneval war halt schon. Grimme, Silversurfer, Sasch und ich sind runter zur Zülpicher Straße, wo der Kölner Mob zusammen mit St. Paulianern tobte. Der milde Abend ? ich rede hier ausschließlich vom Wetter ? lud ein, gemütlich auf der Straße zu stehen und sich das bunte Treiben anzuschauen. Das Schwenken der Fahne war uns eine Pflicht. Einzig die Tatsache, bzw. der Hinweis, das ich Zentimeter an der Stromleitung vorbei geschwenkt habe liess mich innehalten. Schließlich habe ich mein Lebensende nicht als verkohltes Stück auf einer Kölner Straße vorgesehen. So montierten wir unsere Fahne wieder an einen Laternenmast, wo sie auch gut aussah und wehte. Das Bier war kalt, tröstetet über das Spiel hinweg, Sportzigaretten wurden bei der Frage nach dünnen Blättchen angeboten und der Kölner Mob schaukelte sich zusammen mit den St. Paulianern hoch. Das gipfelte darin, das ein Mercedes Kombi mit Leverkusener Kennzeichen prompt den Rückwärtsgang a la Knight Rider einlegen musste als der Kölner Haufen auf ihn zustürmte. Feiern sieht bei mir anders aus?

Zu späterer Stunde sind Grimme, Silversurfer und ich dann nach Deutz raus, um zu schlafen. Der Silversurfer trug die Fahne mit sich und ich die Teleskopstange. An den Tramhaltestellen leuchtete diodisch ?Die Straßenbahn XY fährt aufgrund randalierender Fußballfans jetzt da und da.? Die Kölner. Ein gemütliches Völkchen eben. In Deutz schmeckte nicht mal mehr das Gute Nacht Bier und so stellte ich meine Sneakers vor die Terassentür und schlief ein. Am nächsten Morgen waren aber immer noch keine drei Punkte drin. Ob?s am Geruch gelegen hat?

Zumindest gab es Kaffee und schnell wurde der Kopf wach: Da war doch was? Ach ja, ein Fußballspiel. Geschenkt. Grimme guckte Silversurfer die ganze Zeit so komisch an und rückte dann raus mit der Sprache: ?Kannst du mir mal verraten, warum ein 39jähriger Mann nachts mit einem Stück Ballonseide durch die Strassen wankt?? Nö, konnte er nicht. Aber die Frage ist gut und sollte mal reiflich diskutiert werden. Nun denn, wir machten uns auf um wieder in Modefans Audi zu steigen. Sasch blieb noch in Köln und so hatten Silversurfer und ich hinten mehr als genug Platz während Superfly es sich vorn bequem machte. Es ging zuerst Richtung Hattingen, da Modefan dort einen weiteren Geschäftstermin hatte. Er setzte uns in der Hattinger Innenstadt aus und wir suchten eine Bleibe, in der wir frühstücken konnten. Allein alle Hattinger Etablissements waren geschlossen. Alle? Nein, nur ein einziges hatte geöffnet und dort gab es lecker Toast mit Schinken und Käse sowie Erdinger Weißbier. Ein Frühstück, das nichts zu wünschen übrig ließ. Okay, es hätte Paulaner sein können und Superfly hätte statt dem Kaffee ruhig ein echtes Bier trinken können. Während des Frühstücks und weitere Biere erörterten wir die Schuldfrage. Schuld im allgemeinen, im insbesonderen und Schuld an der Saison 2002/03. Die Theorien wurden immer absurder bis, ja bis Superfly uns unter Tränen von den äußerst harten Aufnahmebedingungen und Prüfungen der Passanten erzählte. Also das hätten wir echt nicht gedacht. Das ist ja ein echt harter Haufen?