Wo ist das Tor?!

Fürth zuhause oder wo ist das Tor geblieben- 17.04.03

Dachgrillen

Dachgrillen

Wenn es einen Grund gibt, das der gute Jupp ans Lattenkreuz genagelt wurde, dann nicht der, das man als St. Pauli Anhänger nach einem Spiel eben jener Mannschaft ruhigen Gewissens ins Bett oder wahlweise in die Gaststube oder den hiesigen Fanladen gehen kann. Und wenn ich für jeden Gedanken an und über den FC St. Pauli von 1910 einen Cent kriegen würde, wäre ich steinreich (und damit nicht der einzige). Und wenn ich für jede meiner Aktivitäten als Anhänger der FC St. Pauli von 1910 meinen normalen Stundensatz als Freiberufler in Rechnung stellen würde, wäre ich unter den Topverdienern der Freien und Hansestadt Hamburg (und auch damit nicht der einzige). Was soll””s? Soviele Worte sind schon geschrieben, gesagt und gesungen worden. Soviele Gedanken gedacht und soviele Gefühle empfunden worden. Und jetzt sitze ich wieder hier vor meinem Notebook und eier mir einen ab. Mein Therapeut hat mich längst aufgegeben, der Fleischer meines Vertrauens vor Lidl, Edeka, Aldi und Penny die Waffen gestreckt und fliegen musste ich die letzten Wochen nicht mehr, um so meiner Leidenschaft anderweitig ein Ventil zu verschaffen. Ergo muss die geneigte Leserschaft her halten…

Der Spieltag begann mal wieder zwei Tage vorher: Dienstag- und Mittwochabend Bastelstunde bei mir im Büro mit den Boys In Black, Matthias, Bender, Rispi und Superfly. Es galt, Puschel zu basteln für das Fürth Spiel. Herr Lotter wollte Mittwochabends aushelfen, war aber kurzfristig verhindert. (Wen wundert””s?) Tonnen Zeitungspapier, Heftklammern, Tesafilm und Bier später waren dann auch ungefähr zwihundertfünfunddreißig Puschel fertig und in Tüten verpackt.

Donnerstag dann endlich Spieltag, der auch gleich gut anfing: Frisch geduscht und elegant gewandet stand ich im U-Bahnhof Schlump, um in die U3 zu steigen. Ich guck so runter in meine Tasche, guck wieder hoch, da drehen sich die zwei Typen vor mir um, sehen mein St. Pauli Shirt und pöbeln gleich los: “Ey. Scheisszecke, euer Scheissverein steigt sowieso, Geseier, Geblubbber, Geblabber.” Ich blieb höflich und erwiderte freundlich: “Leute, was wollt ihr? Der HSV spielt erste, wir zweite Liga und solange kommen wir uns nicht in die Quere und alles ist gut.” Als hätte ich aufs Gas- statt aufs Bremspedal getreten polterte der andere los: “Alter, was willst du undsoweiterundsofort.” In aller Ruhe stellte ich mein Täschchen ab und gab dem Freund Backenfutter. Mein Lieblingserstschlag ist immer der mit beiden Händen auf die Ohren. Das hilft und wirkt Wunder. So auch diesmal. Dumme Gesichter blickten mich an. Ein freundliches “Und jetzt kommt ihr!” mit leicht warnendem Gesichtsausdruck gab den beiden Jungs dann auch guten Grund Fersengeld zu geben. Und wie auf Kommando kam dann auch die Bahn, der ich sogleich einen Einstieg zugute kommen liess.

An der Feldstrasse wieder rausgesprungen und den Herrn Bender aufgesucht, das Bier kalt gestellt und rauf aufs Dach, Sonne, Ruhe und gute Gedanken tanken. Weitere Gesinnungsgenossen liessen auch nicht lange auf sich warten und bald war eine fröhliche Runde auf dem Dach vereint. Es wurde Bier getrunken, Sonne und Aussicht genossen und der Tag war bis dato ein guter Tag. Eigentlich ein guter Tag für einen Heimsieg. Eigentlich…

Zaunkönig?

Zaunkönig?

Silversurfer und ich begaben uns zum Miller, weitere Aktion Südler und Symphatisanten anzutreffen und aufzugreifen. Gegen 18:30 Uhr gings dann ins Stadion und ich war natürlich wieder zu spät, hätte ich doch dem Superfly und den Boys In Black beim Puschel reintragen helfen sollen. Aber was will man machen? Ariane und Lo brauchten für die kleine Schwester noch ””ne Karte, da trifft man hier und da jemanden, ist höflicher Mensch, bleibt einen Moment stehen, sagt “Guten Tag” und wünscht weiterhin viel Spaß. Naja, wie auch immer. Im Stadion Platz klargemacht und zum Einlauf an die Fahnen. Wir haben für Superfly eine neue Schwenkfahne geordert, um dessen kindheitsbedingtes Schwenkfahnentrauma ein für allemal zu therapieren. Das hat dann auch fein geklappt. Hübsch anzusehen, die braun-rote Fahne wie sie da so in der Südkurve im Winde flatterte. Die Südkurve war wieder recht voll und der Support kam diesmal auch wieder in Gang. Insgesamt sehr gut bis zum Gegentor. Das gibt immer einen leichten Einbruch, der mit einer kleinen Gruppe recht schwer aufzufangen ist. Doch das gelang uns recht gut. Zur Halbzeit wurden dann unsere Puschel verteilt und ich schwang meinen kleinen Arsch auf den Zaun, um mit einem Puschel etwas zu dirigieren damit nicht alle durcheinander wedeln. Herrjeh, ein schönes Bild gab das und erfreute mein kleines Fußballherz. Aber was war das? So ein kleines grünes Männchen mit gelber Kappe zupfte ständig an meinem Bein. “Ey, runter vom Zaun!” “Jaja, gleich.” “Ne, jetzt sofort.” “Verzieh dich.” So ergab ein Wort das andere und langsam wurde ich gernervt. Was glaubte der denn, was ich vorhatte? Nackig machen und übers Spielfeld flitzen? Aus der Hosentasche ””ne Bombe zaubern und das Stadion in Schutt und Asche legen? Egal. Ich weiter gewedelt und den Typen immer wieder vom Bein geschüttelt. Was für ein Terrier das aber auch war. So kam es, das ich den Wunsch eines jungen Mannes, der an mich herangetragen wurde (Ey, sing doch mal “You””ll never walk alone.”) leider nicht mehr erfüllen konnte. Aber man ist ja auch keine Jukebox und so sprang ich runter vom Zaun. Und es kam mir vor als hätte mir jemand mit ””ner Eisenstange aufs Knie gehauen. Was dazu führte, das ich Samstag (zwar erst Samstag aber immerhin) die Notfallpraxis in der Stresemannstrasse aufsuchen musste. Aber das ist eine andere Geschichte.

Tja, und irgendwann war dann auch dieses Spiel zu Ende und Superfly und ich gingen nochmal an die Fahnen, später dann sammelten wir Puschel auf, um diese wieder in ihre Tüten zu packen. 0:1 zuhause verloren. Moment, werdet ihr jetzt rufen. Wir haben doch Unentschieden gespielt! Das mag ja sein. Aber wo ist das Tor gewesen? Ich habe es nicht mitbekommen und auch keinen Song2 gehört. Zum Mitsprechen und Auswendig lernen:

I C H H A B E E S N I C H T M I T B E K O M M E N !

So war das. Bei mir ist das Tor verschwunden wie die linke Socke des Sockenpaares, das man in die Waschmaschine steckt. Weg. Einfach weg. Gerade vielleicht noch da und jetzt weg. Gibt es eine vierte Dimension für Ausgleichstore, in der sie einfach verschwinden? Leide ich unter spontan auftretender und wieder abklingender Amnesie? Ich weiß es nicht. Ja, ich hab es dann erst im Fanladen mit Erstaunen aufgenommen. Das ganze Gerede vom Unentschieden und dem einen Punkt hat mich dann doch soweit stutzig gemacht, das ich bei Leo mal nachfragte, warum die immer vom Unentschieden reden. Sein ungläubiges Gesicht war genauso wie meins als ich vom Tor hörte, das Gerber Junior geschossen hat. Das muss man sich mal vorstellen.

Besser nach Hause gehen

Besser nach Hause gehen

Was war noch? Ach ja, der Netzmeister hat mich geküsst und Inceman trinkt Becks, hat aber einen Frauengeschmack, der unseren Tabellenplatz wiederspiegelt. Und USP muss jetzt ein paar Puschel weniger basteln.

Und jetzt kommt ihr.