Kolumne sanktpauli 09

Das etwas andere Lokalderby

?In Ihren Unterlagen steht, das Sie für die Stadionzeitung des FC St. Pauli arbeiten. Steigen die nicht schon wieder ab?? Die blaugrauen Augen des kaufmännischen Leiters blitzten mich höhnisch an. ?Sehen Sie, die Wahrscheinlichkeit des Abstiegs ist genauso groß wie die Wahrscheinlichkeit des HSV auf den UEFA-Cup?, konterte ich, wobei ich bei der Aussprache der Buchstaben H, S und V ein leichtes Husten nicht unterdrücken konnte. Sein höhnisches Lächeln erfror und seine Mundwinkel rutschten nach unten: Ich hatte ihn. ?Darüber hinaus liegt der FC bekanntlich in Meinungsumfragen bezüglich Bekanntheitsgrad und Sympathiewerten deutlich vor dem Dinosaurier aus St. Ellingen? wurde ich mutig. ?Und wie Sie wahrscheinlich wissen plant der FC langfristig: Die erste Meisterschaft haben wir auf das Jahr 2010 angesetzt! Die Regionalliga dient der Regeneration.? Er wurde weiß im Gesicht und wühlte aufgeregt in seinen Unterlagen. Der Geschäftsführer, bisher eher unbeteiligt verfolgte den Dialog angespannt, seine Blicke flitzten zwischen uns beiden hin und her. ?Äh, wir bieten unseren Mitarbeitern übrigens mit einem Kickertisch in der Kantine kreative Pausen und Entspannung an?, versuchte er das Gespräch wieder auf den normalen Weg zurück zu bringen.

?Na bestens Roland!? Die Hand des kaufmännischen Leiters klatschte auf den Tisch. ?Und, Herr Schulz, die Figuren sind in den entsprechenden Farben: Rote Hosen die einen, braune Leibchen die anderen! Da können wir ja gleich mal sehen, wo ihre Herren vom Kiez bleiben.? Der Fehdehandschuh lag also auf dem Tisch und funkelte im Sonnenlicht, das durch die Jalousien fiel. Roland trat der Schweiß auf die Stirn. Die Barthaare des kaufmännischen Leiters zitterten leicht. ?Sei es drum?, erwiderte ich und schickte mich an aufzustehen. ?Wo steht der Tisch? In der Kantine??

?Bis sechs und zu Null heißt Verdopplung des Gehaltes und Gewinnbeteiligung mit 15 Prozent!? Grimmig schlug er ein. Roland hingegen setzte sich, stammelte ?Karl, weißt du was du tust? Erinnere dich doch nur mal an die letzte Aktionärsversammlung!? Karl ließ sich nicht abhalten, klopfte mit dem Ball auf Holz und los ging das Spiel. Was ich nur vermuten konnte, sich aber schnell bewahrheitete: Karl litt nicht nur unter extremen Ehrgeiz, sondern auch an absoluter Fehleinschätzung seiner fußballerischen Kompetenzen. Nach zehn Minuten und sechs Toren, erzielt durch geschickt angetäuschte Schüsse mit meinem Torwart führte ich Sechs zu Null und die Partie war beendet. ?Revanche gefällig??, fragte ich. Doch die Antwort, die Karl gerade geben wollte wurde durch Roland im Keim erstickt, der ihm an die Gurgel ging, ihn am Boden auf ihm hockend immer wieder schüttelte. ?Jedes mal das gleiche, wenn es um deinen HSV geht. Jedes mal. Du ruinierst uns noch!? Hm, das Gespräch war damit wohl beendet dachte ich. ?Also, ich sehe schon, ich glaube ich bin nichts für Ihre Agentur. Aber danke für die Gelegenheit, mich einmal persönlich bei Ihnen vorzustellen zu dürfen. Und viel Erfolg noch bei den anderen Bewerbern.? Pfeifend verließ ich die heiligen Agenturräume, trat auf die Straße und rief ?Taxi!?.